Arthur Weigall: The Malevolence of Ancient Egyptian Spirits

Im Februar 1923 wird eine der größten Sensationen in der Geschichte der Archäologie Realität: Vor versammelter Presse öffnet Howard Carter die seit über dreitausend Jahren unberührte Grabkammer des Tutanchamun. Als der Finanzier Lord Carnarvon in das Grab hinabsteigt, so erzählt es eine Anekdote, macht ein Journalist weiter hinten eine sarkastische Bemerkung: „Wenn ich so sehe, in welcher Stimmung er hinuntergeht, gebe ich ihm noch sechs Wochen zu leben.“ 
Am 5. April, rund sechs Wochen später, ist Carnarvon tot – erlegen einer rätselhaften Krankheit, nach offiziellen Angaben einer Lungenentzündung. Geboren ist die Geschichte vom „Fluch des Pharao“, der all jene ereilen soll, die es gewagt hatten, die Ruhe des Königsgrabes zu stören.   
Jener Reporter, der seinerzeit für die britische Zeitung Daily Mail vor Ort war, ist kein Unbekannter: Sein Name ist Arthur Weigall (1880–1934), selbst Ägyptologe und seit Jahren involviert in die archäologischen Feldforschungen in Ägypten. Mit Howard Carter war er bereits 1905 in der Nekropole von Sakkara zusammengetroffen, wenig später wurde er zu dessen Nachfolger in der Verwaltung von Luxor ernannt. In den folgenden sechs Jahren setzte sich Weigall intensiv für die Bewahrung des örtlichen Kulturgutes ein und entdeckte selbst mehrere bedeutsame Gräber. Mit einer Biographie über den Pharao Echnaton machte er sich als populärwissenschaftlicher Autor einen Namen, bevor er aus gesundheitlichen Gründen nach England zurückkehrte. Die folgenden Jahre arbeitete er als Setdesigner für Filmproduktionen und Kritiker der Daily Mail. Erst anlässlich der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun kehrte er, nunmehr als Journalist, nach Ägypten zurück.        
Seine im Scherz geäußerte Bemerkung über Lord Carnarvon machte Weigall für immer zum Teil der Legendenbildung um den „Fluch des Pharao“ – auch sein eigener Tod 1934, obwohl ganze elf Jahre später, wurde bisweilen mit diesem in Verbindung gebracht. Doch verstand es der erfolgreiche Autor populärer Sachbücher über das alte Ägypten nur allzu gut, die zeitgenössische Medienhysterie zu nutzen: Noch im selben Jahr veröffentlichte er den Sammelband Tutankhamen And Other Essays über den sensationellen Fund und weitere Themen der Ägyptologie. Unter den Beiträgen sticht ein Kapitel besonders hervor, das scheinbar nicht ganz in das übliche Spektrum „seriöser“ archäologischer Forschung fällt: „The Malevolence of Ancient Egyptian Spirits“.

Der im Folgenden zur Verfügung gestellte, da mittlerweile urheberrechtsfreie Artikel steht ganz im Zeichen ägyptischer Flüche. In der Einleitung nimmt Weigall zunächst auf die Gerüchte um den Tod Lord Carnarvons Bezug. Obgleich er die Anekdote wiederholt, ausgerechnet am Tag der Graböffnung sei der Kanarienvogel Howard Carters von einer Kobra (dem Symbol des Pharao) verschlungen worden, so argumentiert er doch klar gegen die kursierenden Behauptungen um eine antike Fluchformel am Grabe des Königs: Seien auch einige wenige solcher Flüche aus der Zeit des Neuen Reiches bekannt, so hätten diese doch allein der Abschreckung zeitgenössischer Grabräuber gedient – während wohlwollenden Besuchern des Grabes vielmehr Segenswünsche in Aussicht gestellt wurden.           
Doch scheint, glauben wir den folgenden Berichten, der vermeintliche Fluch des Tutanchamun nicht der einzige zu sein, der moderne Menschen im Umgang mit ägyptischen Antiquitäten ereilte. Darauf nämlich folgt bei Weigall eine Reihe rätselhafter Begebenheiten, die er selbst in seiner Forscherkarriere persönlich oder mittelbar erlebt habe: Rund um eine antike Katzenmumie ereignen sich seltsame Dinge, wie auch eine ägyptische Tonlampe mehreren Besitzerinnen nur Unglück zu bringen scheint. Gar tödliche Katastrophen sollen einen bemalten Sargdeckel begleiten – kaum anders als jene Statue der Kriegsgöttin Sachmet, die in einer Nische des Karnak-Tempels steht. Und wer möchte schon in Arthur Weigalls Haut stecken, bei Nacht mit einer widerspenstigen Mumie ringen zu müssen? 

Fast scheint es, rachsüchtige Geister vergangener Jahrtausende seien ein alltäglicher Umgang für all jene, die sich mit den Schätzen des alten Ägyptens beschäftigen. Natürlich bietet keine der Anekdoten einen Beweis für übernatürliche Vorkommnisse; eine jede lässt sich auch (wie Weigall offen zugibt) durch reinen Zufall und natürliche Vorgänge erklären. Und doch verfehlen jene authentischen Schauergeschichten ihre Wirkung kaum: Mit seinem Artikel über die „Bösartigkeit altägyptischer Geister“ dokumentierte Arthur Weigall in nur allzu mitreißender Weise die unheimliche, zumindest aber kuriose Seite der Ägyptologie.

aus: A. Weigall, Tutankhamen And Other Essays (London 1923), 110–126.

Titelbild: Katzenmumie im Sarg (Bild: Brooklyn Museum) / Lon Chaney in The Mummy’s Ghost (1944) / Sachmet-Statue in Karnak (Bild: Asavaa, Wikimedia Commons)

Siehe auch:
Wiedergänger im Alten Ägypten