Buritaca 200 – Die verlorene Stadt in der Sierra Nevada in Kolumbien

1982 schrieb Erich von Däniken in seinem Buch Strategie der Götter erstmals über eine tief im Regenwald der Sierra Nevada de Santa Marta an der Karibikküste Kolumbiens gelegene „verlorene Stadt“ Buritaca 200, die er im August 1981 mittels eines Militärhubschraubers besuchte und die er als achtes Weltwunder bezeichnete.[1] In einer höchst unterhaltsamen Anekdote beschreibt Däniken, wie er den kommandierenden General der kolumbianischen Luftwaffe mittels einer ausgefallenen Pfeife als Geschenk dazu überreden konnte, ihm einen Helikopter für die Anreise zur Verfügung zu stellen.[2]          
Dies sei notwendig gewesen, so schreibt er, denn „Es führen keine Straßen nach Buritaca, deshalb konnte ich nur im Helikopter dorthin gelangen.“[3] Aufmerksam wurde er durch einen Artikel im Spiegel, in dem berichtet wird, dass der Raubgräber César Sepúlveda 1975 über steinerne Treppen auf 900 bis 1100 Metern Höhe nahe dem oberen Lauf des Flusses Buritaca auf gewaltige Terrassenstrukturen stieß, doch etwas zu leichtfertig von seiner Entdeckung erzählte. „Berufskollegen“ wollten die zu erwartenden Reichtümer ebenfalls plündern und töteten den unglücklichen Entdecker mit fünf Schüssen in die Brust.[4]  
Als dann 1976 auch offizielle Stellen von der Entdeckung hörten, wurde das Gebiet militärisch gesichert und die Archäologen konnten damit beginnen, die zweihundertste und größte Siedlung der Tairona-Kultur auszugraben, wichtige Funde zu sichern und weitere Strukturen vom wilden Bewuchs der Regenwald-Flora zu befreien.    
Seither wurde das wahre Wunder dieses Ortes mehr und mehr offenbar.           
Interessierte Besucher haben heutzutage einige Mühe auf sich zu nehmen, um Buritaca 200 zu besuchen. Diese Mühe hätte Erich von Däniken im Übrigen auch auf sich nehmen können. Denn entgegen seiner Aussage, der Helikopter wäre der einzige Weg gewesen, ist Buritaca 200 seit 1981 fußläufig für den Touristenverkehr geöffnet.[5] Ausgehend von dem kleinen Dorf El Mamey beginnt eine insgesamt viertägige und selbstverständlich geführte Wanderung tief in die Sierra Nevada. Ihre Gipfel erreichen Höhen von bis zu 5775 Metern und machen sie zum höchsten Küstengebirge der Welt.
Ende Januar 2024 hat der Verfasser genau diesen Weg beschritten. Täglich gilt es hier große Strecken zurückzulegen und insgesamt mehr als 1000 Höhenmeter zu überwinden. Zunächst durchquert man das Land der Farmer. Hier wird der Weg zuweilen noch von Motorrollern befahren. Weiter geht es durch das Land der Indigenen. Mit den Kogi, Arhuaco, Wiwa und Asario besiedeln noch heute vier kulturverwandte Stämme die Hänge der Sierra Nevada. Mit über zweihundert Familien sind die Kogi hierbei die größte Gruppe. Auf dem Weg durchquert man hierbei die in den 1980er Jahren gegründete Kogi-Siedlung Mutanzki. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war dieser Teil der Sierra Nevada nicht besiedelt.[6] Die Siedlung wird nicht dauerhaft bewohnt, sondern ist zeremoniellen Zusammenkünften gewidmet. Eine solche Zusammenkunft fand auch im Februar 2024 statt, sodass wir das Dorf nur passieren, aber nicht betreten durften. Der Name Tairona stammt von den Spaniern und bedeutet so viel wie „Goldschmiede“[7] und verweist auf die ausgezeichneten Goldarbeiten, die diese Kultur anfertigte. Ab dem 6. Jahrhundert besiedelten sie die Flanken der Sierra Nevada und produzierten gleichartige kulturelle Erzeugnisse. Sie lebten in vermutlich nur saisonal bewohnten schlichten Siedlungen und dauerhaft in solchen mit steinerner Architektur.[8]

Abb. 1: Kogi-Siedlung Mutanzki (Foto: André Kramer).

Die Tairona verfügten offenbar über kein geeintes Reich, sondern lebten in bis zu 800 verstreuten Dörfern und 200 bekannten Terrassenstädten mit kleinen regionalen Machthabern.[9]  Sie bauten Mais, Bohnen, Baumwolle und andere Agrarprodukte an und betrieben ausgeprägten Handel mit den Muisca und tauschten hier Gold gegen Smaragde.[10] Zu einer Großreichsbildung kam es bei den Tairona nicht. Im 16. Jahrhundert gab es zwei Machtzentren, Bonda bei Santa Marta an der Karibikküste und Pocigueica an den oberen Flusstälern des Rio Frio und des Rio Don Diego, die durchaus in Rivalität zueinander standen und sich zuweilen gegenseitig bekriegten.[11] Der Umstand mehrerer Machtzentren erschwerte es den Spaniern, die Tairona zu unterwerfen. Von ihren ersten Großsiedlungen in Santa Marta (1525) und Cartagena (1533)[12] aus führten ihre Kriegszüge sie auch in die Sierra Nevada. Zu einer Unterwerfung der Tairona kam es jedoch erst 1630.[13]
Unsere Wanderung führt weiter und höher in die Sierra Nevada, hierbei oft auf alten Straßen und vorbei an 26 Siedlungen der Tairona, die jedoch weitgehend verborgen im dichten Regenwald liegen. Das Straßennetz der Tairona kann hierbei als eine Besonderheit angesehen werden. Hunderte Kilometer dieses Wegenetzes verbanden einstmals die verstreuten Siedlungen und Städte.

Abb. 2: Die Wanderung zur Buritaca 200 führt zum Teil auch auf dem alten Straßennetz der Tairona (Foto: André Kramer).

Erst am dritten Tag erreicht man dann Buritaca 200. 1200 Stufen führen hinauf in diese Stadt, die einstmals etwa 3000 Einwohner beherbergte.[14] Der Anblick der Stadt unterscheidet sich von jenem anderer monumentaler Stätten. Keine wuchtigen Pyramiden oder megalithische Konstruktionen sorgen hier für Staunen, sondern die unzählbaren Kubikmeter Erde, die hier einstmals mitten im feuchtheißen Dschungel bewegt worden sein müssen, um den Boden zu planieren und die übereinander geschichteten Terrassen anzulegen, die sich ästhetisch in die Landschaft einfügen und malerische Blicke erlauben, egal wohin man blickt. Dass diese Terrassen hier seit Jahrhunderten stehen und durch die zwei jährlichen Regenzeiten bis heute nicht eingesackt sind, liegt an dem ausgeklügelten Kanalisationssystem, dass das Regenwasser auffängt und umleitet. Eine architektonische Meisterleistung. Erich von Dänikens Einschätzung als achtes Weltwunder kann man vielleicht nur dann nachvollziehen, wenn man mit eigenen Augen in dieser fantastischen Stätte steht und über ihre Plattformen wandelt.

Abb. 3: Buritaca 200 fasziniert durch seine ausgeklügelte Terrassenlandschaft (Foto: André Kramer).

Wenngleich Buritaca 200 vielleicht die größte bekannte Siedlung der Tairona war, so ist sie für diese Kultur weder einzigartig noch architektonisch herausgehoben. Mehrere Städte der Tairona erreichten Ausmaße von mehreren Quadratkilometern,[15] und die Beschreibung des spanischen Chronisten Juan de Castellanos über die Ortschaften der Tairona gibt uns einen klaren Hinweis darüber, dass diese Art der Architektur stilgebend für diese Kultur war. So schreibt er über die Begehung dieser Ortschaften:

„Um zu ihnen zu gelangen, muss man auf Stufen aus gutzugehauenen Steinplatten aufwärts steigen. Die Ortschaften mit ihrem geordneten Straßennetz und gutgebauten Häusern liegen immer in Flussnähe. Der Zugang zu den in ihrer Mitte erbauten Heiligtümern führt auf Treppen über Plattformen in verschiedene Höhen. Von den Plattformen aus beobachten die Einwohner die kultischen Handlungen, die zu ihren Füßen in einem weiten, versenkten Hof ausgeführt werden.“[16]

Diese Beschreibung könnte auch Buritaca 200 selbst skizzieren.

Abb. 4: Terrassen, Terrassen, Terrassen … (Foto: André Kramer).

Eine interessante Frage bleibt natürlich, ob Buritaca 200 bzw. die Tairona-Kultur uns Hinweise auf einen möglichen Kontakt zu Außerirdischen liefern. Immerhin hat Erich von Däniken in dreien seiner Bücher hierüber geschrieben (allerdings immer nur in leichten Variationen zur ersten Veröffentlichung, ohne in späteren Büchern neue Inhalte hinzuzufügen) und solche Hinweise behauptet.[17] So beeindruckt Däniken auch von Buritaca 200 ist, einen konkreten Hinweis auf seine These einer außerirdischen Beeinflussung weiß er nicht zu benennen. Als ungewöhnlich benennt er einen Monolithen mit eingravierten Linienmustern.

Abb. 5: Stein mit schwer zu deutenden Gravuren in Buritaca 200 (Foto: André Kramer).

Bei seinem ersten Besuch vor Ort wurde ihm die These mitgeteilt, es könnte sich um einen stilisierten Stadtplan handeln. Eine These, der der Chefausgräber Alvaro Soto Holguin aber ablehnend gegenüberstand.[18] Auch in seinen späteren Büchern geht Däniken mit dieser These sehr zurückhaltend und erfreulich bedacht um:

„Angelehnt an einen Baum, entdeckte ich einen anderthalb Meter großen Monolithen, der von den Ausgräbern dort postiert wurde. Er zeigte ein verwirrendes Spiel von eingravierten Linien. Sollte dies der Plan der Stadt sein?“[19]

Um trotzdem einen außerirdischen Zusammenhang herstellen zu können, bedient Däniken sich also der Mythen der Kogi. Laut Däniken seien die Kogi selbst nach Ankunft der Spanier von diesen Tairona genannt worden.[20]  Diese Behauptung legitimiert damit auch, deren Mythen im Zusammenhang mit Buritaca 200 als Hinweis für Außerirdische zu werten.      
An dieser Stelle beginnt bereits der erste Knackpunkt. Zwar werden die Tairona auch in der Literatur zuweilen als Vorläufer der Tairona bezeichnet,[21] doch ist diese Herleitung zu einfach gedacht. Die rezenten indigenen Stämme der Sierra Nevada sind kulturell eng miteinander verwandt und auch verwandtschaftliche Beziehungen sind wahrscheinlich anzunehmen, da Männer und Frauen dieser Stämme hier sicherlich auch in sexuellem Kontakt gestanden haben werden. Als der deutsche Ethnologe Konrad Theodor Preuss sich 1914/15 als erster aufmachte, die Kogi (auch Kágaba genannt) und ihre Kultur zu erforschen, erfuhr er von ihnen auch einiges über die von den Kogi angegebenen Verwandtschaftsverhältnisse mit anderen Stämmen. In den Tempeln der einzelnen Siedlungen wurden Priesterlisten geführt, die in gewisser Weise eine genealogische Zurückverfolgung (Vater-Sohn-Folge) zumindest überschlagweise möglich macht. So kommt Preuss zu der Annahme, die Listen von Palomino mit ihren 55 Namen könnten etwa 1000 Jahre in die Vergangenheit reichen.[22] Wir würden uns hier also tatsächlich in der Zeit der Tairona bewegen, doch betonten die Kogi selbst, dass die Tairona ein eigener Stamm („kleiner Bruder“) waren, der aber ein wichtiger kultureller Einflussfaktor für die Kogi darstellt:

„Von den Tairona komme überhaupt die Art und Weise der Erziehung der Novizen, sie hätten geheimes Wissen besessen und seien wie Götter gewesen, weshalb sie auch síbalama kágaba, d. h. Menschen von geheimen Wissen, sanges- oder zauberkundige Menschen hießen. Ja, sie hätten gar keine Speise gebraucht, konnten sich unsichtbar machen und aus geschlossenen Hütten verschwinden.“[23]

Die Sprache der Tairona sei identisch mit der Sprache der Kogi-Stammväter und der Tempelsprache. Und so führt Preuss weiter aus:

„Es ist also sicher, daß die beiden Stämme Kágaba und Tairona in naher Berührung miteinander gelebt haben, und daß die ersten namentlich in religiöser Beziehung außerordentlich von den Tairona beeinflußt sind.“[24]

Dieser Umstand ist durchaus von Bedeutung. Trotz einer kulturellen Verwandtschaft und benannter religiöser Beeinflussung handelt es sich um zwei wahrscheinlich unterschiedliche Stämme. Eine behauptete Gleichsetzung ist also falsch und auch eine unreflektierte Identifikation der Kogi-Mythen mit jenen der Tairona ist nicht so ohne weiteres möglich.        
Welche Mythen aber sind es, die Däniken zu der Überzeugung bringen, ein außerirdischer Einfluss auf die Tairona sei naheliegend? Auch er bezieht sich hier auf Preuss, der die Gesänge und Mythen der Kogi gesammelt und dokumentiert hat. Einzelnen Fersen entnimmt Däniken hier verschiedene Aspekte, die er im Kontext seiner Sichtweisen deutet. Wenn Priesternovizen mit Göttermasken reden, um Krankheiten zu heilen, dann könnte hier eine Art Fernsprechapparatur im Spiel sein und Sintflut-Sagen der Kogi werden natürlich als deutlicher Hinweis auf eine wahrhaft globale Flut, wie sie die Bibel beschreibt, betrachtet.[25]   
Es wird in diesem Zusammenhang wenig Sinn machen, sich komplett durch die Mythen der Kogi zu bewegen. Diese sind umfangreich und komplex und in ihrer Deutung sicher nicht immer einfach. Sinn macht es, bevor man sich mit dem „Mythos als Geschichtsbuch“ befasst, damit auseinanderzusetzen, was ein Mythos eigentlich ist!
Bantel und Schaefer führen hierzu aus:

„Der Mythos ist eine auf frühen Kulturstufen entstandene Welt- und Daseinsbetrachtung und steht in direkten Bezug zum Religiösen, nicht nur dadurch, dass er von der Schöpfung der Welt und von Göttern berichtet, sondern auch, weil er von Urerlebnissen des Menschen erzählt, in dem ein Einzelschicksal modellhaft allgemein gültige Bedeutung für alle Menschen erlangt im Sinne des für sie alle verbindlichen religiösen Glaubens.“[26]

Der Mythos ist also ein Welterklärungsmodell, das sich direkt auf die Umwelt der Menschen bezieht, in der ein Mythos entsteht und tradiert wird. Mythen sind hierbei nichts Feststehendes und werden auch neuen Einflüssen und verändernden Umweltbedingungen entsprechend angepasst. Dies lässt sich auch anhand der Kogi sehr schön illustrieren.           
Der mama (Priester) Miguel Nolavita der Kogi in Palomino erzählte Preuss den Schöpfungsmythos der Allmutter und ihre Erschaffung aller Dinge und Lebewesen auf der Welt. Dieser Schöpfungsmythos ist mehr als offensichtlich an die Welt der Kogi zur Zeit der Aufzeichnungen im frühen 20. Jahrhundert angepasst, berichtet Nolavita in Vers 6 doch:

„6        Sie ist die Mutter der jüngeren Brüder Franzosen und der Fremden.“[27]

Die Existenz anderer Kulturen, die von fremden Kontinenten stammen, ist hier also bereits in den Mythos aufgenommen worden. Während die Kogi sich selbst als ältere Brüder sehen (quasi das Stammvolk), sind alle anderen, nicht-indianischen Kulturen für sie die jüngeren Brüder.[28] Noch stärker wird der Einfluss der jüngeren Geschichte auf den Mythos der Kogi bei den Erzählungen des Schöpfungsmythos durch den mama José Gabriel Alimaco im 21. Jahrhundert. Hier ist der anhaltende Kulturkontakt bereits tief im Mythos verwoben und ausformuliert. So habe der von der Allmutter geschaffene Schöpfer der Erde, Sezhankuaden, älteren und jüngeren Brüdern Land zum Leben gegeben und ihnen auch Aufgaben erteilt:

„Als Sezhankua jedoch die Aufgaben an alle Völker verteilt hatte, was sie tun sollten, wofür sie zuständig sind und wie sie sich um die Erde kümmern sollten, sind die jüngeren Brüder irgendwann nachts um drei oder vier eingeschlafen. Die jüngeren Brüder können bis heute nicht sehr lange reden. Nach spätestens acht Stunden sind sie müde. Bei den Kogi sprechen wir manchmal neun Tage und neun Nächte ohne Pause.“[29]

Den Kogi ist das Heil der Welt und das Intaktbleiben der Umwelt ein wichtiges Anliegen und mit Schrecken verfolgen sie die Umweltzerstörungen durch „den jüngeren Bruder“.[30] Sinnbildlich und äußerst charmant wurde hierfür also eine Erklärung in den Mythos eingeflochten. Der jüngere Bruder hat geschlafen, als ihm erklärt wurde, wie er mit der Welt umzugehen hat.
Jedes Jahr im September wird Buritaca 200 für die Reisenden geschlossen. Zu dieser Zeit finden von dem mama initiierte Rituale an diesem Ort statt, deren Ziel es ist, die Natur wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Abb. 6: Die zwei rituellen Hütten der Kogi in Buritaca 200, die jedes Jahr im September für reinigende Zeremonien genutzt werden (Foto: André Kramer).

Jetzt kommen wir nochmal beispielhaft auf Dänikens Ausführungen zu den Mythen der Kogi zurück. Aus Preuss‘ Werk zitiert er folgenden Vers aus dem Schöpfungsmythos, in dem es um rituelle Masken geht:

„30      Heute setzt man diese auf, um auf die Krankheiten und auf alle Arten von Übel einzuwirken, daß die Novizen, die in den Tempeln gelernt haben, damit reden. Nachher haben es die Väter, Priester und älteren Brüder berichtet.“[31]

Däniken kommentiert hier erstaunt:

„Habe ich richtig gelesen? Priester sollen in Urzeiten mit den >>Masken<< geredet haben, um durch sie auf Krankheiten >>einzuwirken<<? Diese Schilderungen werden erst mit modernem Verständnis logisch: die >>Maske<< war ein Helm mit eingebauter Funkverbindung, über den die Priester Expertenrat einholten.“[32]

Hier hat Däniken tatsächlich nicht richtig gelesen. In einer Fußnote führt Preuss hierzu nämlich aus, dass mit „Reden“ der gesamte rituelle Akt gemeint sei, der Tanzen und Gesänge umfasst, während eigentliches Sprechen in diesem Akt nicht vorkommt.“[33]   
Das schwierige an rein assoziativen Interpretationen (interpretatio technologica[34]), wie sie Däniken hier vornimmt, ist die nicht zutreffende Annahme, Mythen seien feststehende literarische Gebilde, die wortwörtlich als Geschichtsquelle zu deuten wären. Nichts davon trifft zu. Das wahre Potenzial des Mythos als potenzielle Quelle für den Nachweis eines außerirdischen Kontakts in der Vergangenheit nimmt er unterdessen gar nicht wahr. Er besteht gerade in der Wandelbarkeit und Anpassung des Mythos auf neu eintretende Umstände. Derartige „Einschübe“ könnten für eine Paläo-SETI als Suchstrategie ein denkbarer Ansatzpunkt sein ‒ sofern sie existieren und im Mythos identifizierbar sind.   
Außerdem benennt er die Architektur der Kogi-Häuser selbst als mögliches Indiz.        
Er verweist auf einen starken Bezug der Kogi zum Weltall und dass die strohgedeckten Tempel und Ritualhäuser Abbilder des Weltalls darstellen würden und beschreibt ausgiebig den Aufbau dieser Häuser im Kontext dieses Abbildes des Kosmos. Angelehnt an den oben zitierten Mythos spekuliert er dann über möglichen telepathischen Kontakt der mamas mit Außerirdischen im Inneren der Tempel.[35]
Und hier wird es wieder richtig interessant. Däniken bezieht sich bei seinen Beschreibungen auf den Anthropologen Gerardo Reichel-Dolmatoff und gibt dessen Darstellung zwar richtig, aber an entscheidenden Punkten mit dem Auslassen wichtiger Aspekte wieder.           
Richtig dargestellt ist bei Däniken die Vorstellung des Kosmos. Reichel-Dolmatoff schreibt hierzu:

„Der Kosmos ist für die Kogi ein eiförmiger Raum, der durch sieben Punkte bestimmt wird: durch Norden, Süden, Westen, Osten, Zenit, Nadir und Mittelpunkt. Innerhalb des Raums liegen nein Schichten, neun Welten, von denen unsere die fünfte, die in der Mitte, ist.“[36]

Weiter erläutert er, diese neun Welten würden durch die neun Töchter der Muttergöttin repräsentiert, die für verschiedene Bodenarten stehen. So stehe die fünfte Tochter für unsere Welt und repräsentiere die fruchtbare Schwarzerde.[37]    
Der Aufbau des Kosmos der Hopi ist hier geprägt von der Fruchtbarkeit als Leitbild und der Vorstellung der Erreichung des Gleichgewichtzustandes zwischen Gut und Böse. Nicht umsonst nimmt unsere Welt die Mitte dieses Kosmos ein und wird von der fruchtbaren Erde repräsentiert.     
Weiter haben die Kogi die Vorstellung, die Berge der Sierre Nevada mit ihrer kuppelförmigen Gestalt seien Abbilder dieses Kosmos. Und angelehnt an diese sind auch ihre Tempel und Zeremonialhäuser als kosmische Abbilder konzipiert. Sowohl die Berge als auch die Häuser werden in der Vorstellung gespiegelt unter der Erde fortgeführt und ergeben so das Abbild des Kosmos mit dem Boden, auf denen die Menschen leben, in der Mitte. Der gegabelte Dachaufsatz steht hierbei als versinnbildlichtes Geschlechtsorgan und ein von der Decke herabhängendes Seil im Inneren der Hütte, über das die mamas mit dem Übernatürlichen kommunizieren, steht für die Nabelschnur. Der eiförmige Kosmos als Ganzes soll eine Gebärmutter darstellen und Opfergaben werden Höhlen und Felsspalten dargebracht, da sie in der Vorstellung der Kogi Öffnungen in den Leib der Muttergottheit sind.[38]           
All diese Zusammenhänge zur Fruchtbarkeit der Welt und des Menschen hat Däniken in seiner Beschreibung beiseitegelassen und so den Eindruck erweckt, im Mittelpunkt der Vorstellung der Kogi stehe der Weltraum und damit ein Bezug zu Wesenheiten, die aus diesem zu uns gekommen sind und mit den Menschen in Kontakt traten.      
Derartige Motive finden wir aber nicht bei den Kogi, sondern Aspekte der Fruchtbarkeit und der Fauna ihrer Region. Verweise auf Pumas, Gürteltiere und andere Tiere, die sich mit den Kogi eine gemeinsame Welt teilen. Ahnen und Naturgeister vervollständigen dann die Welt der Kogi.        
Schlussendlich stellen sowohl die Hinterlassenschaften der Tairona als auch die bis heute tradierte und gelebte Kultur der Kogi faszinierende Beispiele für die Schaffenskraft und Lebenskunst der Menschheit dar. Signaturen, die einen einstmaligen Besuch Außerirdischer und einen Einfluss solcher Wesen auf die Kultur der indigenen Völker der Sierra Nevada de Santa Marta ausübten, nahelegen oder gar nachweisen würden, liegen hier jedoch nicht vor.

Quellen

Bantel, O. / Schaefer, D. 2004: Grundbegriffe der Literatur. 16. Auflage, Berlin.

Bray, W. 1979: El Dorado. Der Traum vom Gold, Hannover.

Buchholz, L. 20224: Kogi. Wie ein Naturvolk unsere moderne Welt inspiriert, Saarbrücken.

Däniken, E. von 19823: Strategie der Götter. Das achte Weltwunder, Düsseldorf/Wien.

Däniken, E. von 1993: Raumfahrt im Altertum. Auf den Spuren der Allmächtigen, München.

Däniken, E. von 2013: Unmögliche Wahrheiten. Von Südamerika nach anderswo, Rottenburg.

Disselhoff, H. D. 1978: Das Imperium der Inka, München.

Eugene, T. 1998: Südamerika, in: National Geographic (Hg.), Wunder der antiken Welt, Augsburg.

Fischer, M. 1994: El Dorado. Das Gold der Fürstengräber: Eine Einführung, in: M. Fischer (Hg.), El Dorado. Das Gold der Fürstengräber, Berlin.

König, H.-J. 2008: Kleine Geschichte Kolumbiens, München.

o. A. 1981: Indio-Kultur im Dschungel. Der Spiegel 1-2.

Peláez, S. G. 2009: Teyuna-Ciudad Perdida. Archaeological Park, Bogota.

Preuss, K. T. 1926: Forschungsreise zu den Kágaba. Beobachtungen, Textaufnahmen und sprachliche Studien bei einem Indianerstamme in Kolumbien, Südamerika, St. Gabriel-Mödling bei Wien.

Reichel-Dolmatoff, G. 1974: Die Kogi in Kolumbien, in: P. Rivière (Hg.), Bild der Völker Bd. 5: Südamerika östlich der Anden, Wiesbaden.

Richter, J. 2015: Paläo-SETI, in: G. Mayer et al. (Hg.), An den Grenzen der Erkenntnis. Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik, Stuttgart.

Stingl, M. 1976: Indianer vor Kolumbus, Stuttgart.


[1] Vgl. Däniken 1982, 290.

[2] Vgl. a. a. O., 271 f.

[3] Däniken 1993, 120.

[4] Vgl. o. A. 1981, 134.

[5] Vgl. Peláez 2009, 22; dies wurde mir auch vor Ort durch einen Einheimischen bestätigt.

[6] Vgl. a. a. O., 17.

[7] Vgl. Stingl 1976, 154.

[8] Vgl. Fischer 1994, 21.

[9] Vgl. Eugene 1998, 280.

[10] Vgl. Bray 1979, 52.

[11] Vgl. König 2008, 15 f.

[12] Vgl. a. a. O., 20.

[13] Vgl. Eugene 1998, 280.

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl. Stingl 1976, 154.

[16] Zit. n. Disselhoff 1978, 34.

[17] Vgl. Däniken 1982; Däniken 1993; Däniken 2013.

[18] Vgl. Däniken 1982, 295.

[19] Däniken 1993, 125.

[20] Vgl. Däniken 2013, 171.

[21] Vgl. Eugene 1998, 280.

[22] Vgl. Preuss 1926, 34

[23] A. a. O., 40.

[24] A. a. O., 43.

[25] Vgl. Däniken 1982, 263 ff.

[26] Bantel; Schaefer 2004, 91.

[27] Preuss 1926, 133.

[28] Vgl. Buchholz 2022, 266.

[29] A. a. O., 22.

[30] Auch bei meinem Besuch vor Ort wurde mir von den Einheimischen aus Santa Marta und der Sierra Nevada von den schlimmen Folgen des Klimawandels und der früheren Anwendung von Pestiziden zur Bekämpfung des Drogenanbaus in der Region berichtet.

[31] Preuss 1926, 143.

[32] Däniken 1982, 264

[33] Vgl. Preuss 1926, 143.

[34] Vgl. Richter 2015, 353 f.

[35] Vgl. Däniken 1982, 266 ff.

[36] Reichel-Dolmatoff 1974, 170.

[37] Vgl. ebd.

[38] Vgl. a. a. O., 173.