Megalithische Steinkreise im Loch Ness?

Der Sage nach befand sich einst dort, wo heute Loch Ness liegt, ein fruchtbares Tal mit zahlreichen Dörfern. Ein himmlisches Strafgericht überschwemmte das Idyll.[1][2] 
Seit 1970 kam der amerikanische Unternehmer Martin Klein alljährlich ans Loch Ness, um mit seiner Sonderausrüstung nach dem Ungeheuer zu fahnden. Als er kreisähnliche Steinstrukturen fand, die auf dem Grund des Sees lagen, vermutete er sofort, es handle sich um megalithische Steinkreise. Er taufte die „prähistorischen Relikte“ Kleinhenge I und II. Auf der Suche nach dem Beweis für eine Legende des Sees hatte er eine andere bewiesen.[3]      
Obwohl Archäologen gleich skeptisch waren, wurde Kleins Behauptung, er habe megalithische Überreste entdeckt, von vielen Autoren, darunter Wissenschaftsjournalisten, unkritisch übernommen.       
Neben Charles Berlitz[4] und dem französischen Folkloreforscher M. Meurger hielten zahlreiche weitere Grenzwissenschaftler die Entdeckung für authentisch[5]. Es sollte gleich. Festgestellt werden, dass Klein seine Entdeckung für antik hielt und dass weder von seiner Seite, noch vonseiten der darüber berichtenden Autoren irgendeine Spur von Betrug beabsichtigt war.         
Der amerikanische Atlantisforscher Jon Douglas Singer, der gewöhnlich genau recherchiert und sich nie in extravagante Behauptungen versteigt, schildert Kleins „Steinkreise“ wie folgt:

„Um das Jahr 1976 fand eine Tauchergruppe einen Steinkreis in 9m Tiefe. Er bestand eigentlich aus zwei konzentrischen Kreisen, der äußere hatte einen Durchmesser von 9m, der innere von 4,5m. Bei einer weiteren Expedition fanden die Taucher in noch größerer Tiefe (über 24m) zwei große Steinkreise, einer mit 30m Durchmesser, der andere mit 15m. Auf einer Sonarkarte, die von einem Sonargerät aufgezeichnet wurde, sind zwanzig Punkte zu erkennen, die die beiden Kreise verbinden. Es handelt sich dabei möglicherweise um Menhire oder um Steinhaufen. Mindestens zwei Fundorte wurden bei mehreren Tauchgängen entdeckt.    
Es handelt sich dabei eindeutig um Menschenwerk, nicht um natürliche Felsformationen. Die beiden Fundorte werden scherzhaft Kleinhenge I und Kleinhenge II genannt, ein Foto von Kleinhenge I zeigt einen 75m langen Teil des Seebodens, auf dem eine komplexe Anordnung von Steinkreisen, Ringen, sanduhrförmigen Steinsetzungen (von oben gesehen) und eine bizarre Struktur, die von oben der menschlichen Wirbelsäule gleicht, zu finden sind. Dis Entdecker sind sich darüber einig, daß es sich hier um von Menschen errichtete Strukturen handelt.         
Sie müssen zu seiner Zeit errichtet worden sein, als sich diese Teile des Seebodens noch über Wasser befanden – also zur Mitte der Bronzezeit vor 4’500 Jahren. Bedenkt man allerdings die Tiefe, in der die Ruinen gefunden wurden, ist auch ein noch älteres Datum denkbar.“[6]

Wir sehen deutlich, wie ein Schluss den anderen nach sich zieht: Die Kreise sind künstlich, also müssen sie gebaut worden sein, als der Seegrund noch trocken war; sie gleichen den megalithischen Steinkreisen, also sind sie mindestens 4.500 Jahre alt, und wenn sie sich in 18 m Tiefe befinden, müssen sie sogar noch älter sein!     
Nun, die Kreise sind von Menschen gemacht ‒ wenn auch nicht errichtet. Und sie sind nicht megalithisch, sondern modern. Nach und nach fanden Kleins Team und unabhängige Forscher heraus, woher die Kreise wirklich stammen.     
Im 19. Jahrhundert wurde der Kaledonische Kanal gebaut, eine Wasserverkehrsstraße, die Fort William im Westen mit Inverness im Osten Schottlands verband ‒ eine einfache Aufgabe, denn die vier Seen im „Großen Tal“ zwischen den beiden Orten (Loch Lochy, Loch Oich, Loch Ness und Loch Dochfour) machten bereits drei Viertel der Strecke aus.
Der Archäologe J. D. Mills erklärt, wie die „Steinkreise“ beim Bau des Kanals entstanden:

„Die ringförmigen Steinhaufen am Nordende des Loch Ness sind ein Ergebnis der Beseitigung von Moränenmaterial, das aus dem River Ness gebaggert wurde.
Während des Kanalbaus wurde das Gestein dort abgetragen und in Kähne verladen. Der Ballast wurde von den Rändern der Kähne auf den Seeboden geschüttet, das feinkörnige Material von der starken Strömung weggeschwemmt ‒ so sind die Ringe entstanden.“[7]

Die „prähistorischen Steinkreise“ im Loch Ness stammen also vom Anfang des 19. Jahrhunderts.

Loch Ness, von Norden gesehen (Foto: Leif Inselmann)

Auch ein ähnliches Mysterium aus Amerika scheint nun geklärt zu sein, obwohl mir dazu nur Presseberichte vorliegen, die alleine nicht als seriöse Quelle gelten dürften.         
In der Mysteria hat Walter-Jörg Langbein vor geraumer Zeit die Pyramiden im Rock Lake, Wisconsin, vorgestellt. Will man verschiedenen Berichten glauben, dann sind diese Pyramiden jetzt entdeckt, fotografiert und vermessen worden. Eine Gruppe von Tauchern lokalisierte die Pyramiden per Sonar, vermaß und kartierte sie. Bei Tauchgängen wurden Proben entnommen. Die beiden Pyramiden (eine kleinere und eine größere) sind etwa 18 m breit, 30 m lang und 3 m hoch. Errichtet wurden sie aus großen runden Findlingen. Bei den Pyramiden wurden Kupferinstrumente gefunden sowie Markierungen, die auf eine astronomische Sichtlinie hinweisen, die sie mit den Lehm- und Erdpyramiden von Atztalan verbinden, die etwa 5 km entfernt auf dem Trockenen stehen. Offenbar bildeten die Stein- und Erdpyramiden einen heiligen Komplex. Da die Landpyramiden im 14. Jh. errichtet wurden und der Fund von Kupferinstrumenten in den Wasserpyramiden auf die gleiche Zeit hinweist, geht man davon aus, dass auch die Pyramiden im Rock Lake aus dieser Zeit stammen.[8] Vielleicht sind sie durch ein Erdbeben an ihre heutige Stelle gekommen, oder durch eine Flut aufgrund starker Regenfälle.

Ulrich Magin lebt nahe Bonn und ist Autor des Buchs Die Seeschlange vom Comer See: Geheimnisvollen Seeungeheuern im Gardasee, im Comer See und im Lago Maggiore auf der Spur.


[1] Bord, J. / C. 1985: Sacred Waters, London, 130.
Frere, R. 1988: Loch Ness, London, 28.
Witchell, N. 1976: The Loch Ness Story, Lavenham, 21 f.

[2] Eine identische Legende wird von dem walisischen Monstersse Lake Bala erzählt (Bord, Seite 133). Das Motiv ist auch in Deutschland bekannt.

[3] Dinsdale, T. 1982: Loch Ness Monster. 4th. ed, London, 172, 174 f.
Ellis, W. 1977: Loch Ness ‒ The Lake and the Legend. National Geographic Jun. 1977, 758‒79 (mit Foto).
Fortean Times 21, 1977, 29.
Nessletter 20 (1977), 23 (1977), 29 (1978).

[4] Berlitz, C. 1984: Der achte Kontinent, München, 229/214 (mit Sonarkarte).

[5] Meurger, M. 1988: Lake Monster Traditions, London, 123.

[6] Singer, J. D. 1885: Lost and Sunken Lands of Scotland. Pursuit 18/3, 103‒105.

[7] Zarzynski, J. W. 1986: Monster Wrecks, Kilton, 81, 82 (mit Foto).
Bauer, H. 1986: The Enigma of Loch Ness, Urbana/Chicago, 90.

[8] Langbein, W.-J. 1988: Die Suche nach der Botschaft aus dem All. Mysteria 67, 16‒21.
Science Frontiers 66, Nov./Dez. 1989, 1.
Hidden Depths, Lost Pyramid Found. INFO Journal 60, Juni 1990.