Cart Ruts als Aushubspuren

Einleitung

Längst ist klar, dass paarweise in Felsuntergrund eingetiefte Fahr- und Schleifrillen kein singuläres Phänomen der Inseln Malta und Gozo, sondern weit verbreitet vorzufinden sind, wo immer die geologischen und kulturellen Bedingungen dies begünstigen. 
Das vor allem in der Prä-Astronautik problematisierte Phänomen ist oft in einen Zusammenhang mit tatsächlichen Fahrspuren zu bewerten, die durch Abnutzung des Untergrundes durch metallbeschlagene Räder und/oder durch gezieltes Anlegen entstanden sind. Bereits 1944 hat sich Heinrich Bulle ausführlich mit diesem Phänomen der Geleisstraßen in felsigen Untergründen beschäftigt und unterscheidet hier zwischen Gebrauchsrillen und planmäßigen, die durch fortdauernde Befahrung stets vertieft, verschliffen, ausgeweitet worden sind.  
Ulrich Magin hat eine umfangreiche Liste von Geleisstraßen dieser Art vorgestellt.  Weitere ausführliche Beispiele finden sich bei Uwe Schneider (2021).    
Dass es sich hierbei oft um Fahrspuren von vermutlich metallbeschlagenen Rädern handelt, wird besonders bei den so genannten Römerstraßen sehr deutlich. Als Beispiel ließe sich der Sieben-Kreuzle-Weg bei Albstadt in Baden-Württemberg anführen. Hier lassen sich die Fahrrillen über 800 Meter weit einen Berg entlang verfolgen. Bezüglich des Alters reichen die Schätzungen von der Römerzeit bis in das 19. Jahrhundert.  Eigene Messungen ergaben hier Spurweiten um die 1,20 Meter.
Nahe Villach im österreichischen Kärnten finden wir ein weiteres Beispiel für derartige Gleisstraßen, die sich zweispurig über eine Länge von gut 5 Kilometern verfolgen lassen und von Bulle als künstlich angelegte Sicherungsgleise interpretiert werden, die ein Befahren des Passes ermöglichten. Die mittlere Spurweite wurde von mir hier mit 0,92 Metern gemessen.

Abb. 1: Der Sieben-Kreuzle-Weg bei Albstadt in Baden Württemberg (Foto: André Kramer)

Cart Ruts als Aushub-Schleifspuren

Abb. 2: Der Römerweg bei Villach in Österreich (Foto: André Kramer)

Neben tatsächlichen Fahrrillen im Sinne häufig befahrener Wege finden sich auch immer wieder Cart Ruts in einem archäologischen Kontext mit Steinbruch- und Aushubarbeiten. Zwei dieser Beispiele sollen hier angeführt werden. Sie zeigen, dass Cart Ruts als archäologisches Phänomen in ihrer Gesamtheit wenig geeignet sind, spekulative oder gar fantastische Thesen rund um eine untergegangene Hochtechnologie oder außerirdische Einwirkungen zu beweisen.   
Innerhalb der Prä-Astronautik wurde bereits in den 2000er Jahren von dem Forscher Johannes Horn eine These aufgestellt, laut der die Cart Ruts von Malta dem Transport der Steine für die dortigen Tempel dienten. Von einem Steinbruch ausgehend, seien die Blöcke dann auf Schlittenkonstruktionen transportiert worden. 
Anhand eines selbst gebauten Modells versuchte er diese These zu illustrieren.

Abb. 3: Modell der Transporttheorie auf dem A.A.S.-1-Day-Meeting in Siegen 2010 (Foto: André Kramer)

Diese Idee erscheint allerdings nur auf den ersten Blick reizvoll. Für die Cart Ruts Maltas lässt sich nämlich festhalten, dass diese in keiner räumlichen Nähe zu den megalithischen Tempeln stehen.           
Trotzdem, so soll weiter aufgezeigt werden, gibt es in anderen geographischen Räumen Beispiele dafür, dass einige Cart Ruts offenbar in einem Zusammenhang mit Materialtransport stehen.
Auf der Baleareninsel Menorca finden wir, ebenso wie auf der Nachbarinsel Mallorca, die Ruinen der bronze- und eisenzeitlichen Talayot-Kultur. Diese Kultur errichtete zwischen dem 13. und dem 2. vorchristlichen Jahrhundert megalithische Rundtürme (später gab es auch eckige Formen) mit einer zentralen Kammer.

Abb. 4: Talayot de Cornia Nou auf Menorca (Foto: André Kramer)

Am westlichen Rand der im Nordwesten der Insel gelegenen Stadt Ciutadella de Menorca befindet sich die Talayot-Siedlung Montefi. Hier können noch heute mehrere, allerdings stark ruinöse Talayots und unterirdische Hypogäen besichtigt werden. Zum Zeitpunkt des Besuchs im Herbst 2023 fanden auf dem offenbar touristisch noch kaum erschlossenen Gelände Sanierungsarbeiten an den Denkmälern statt. Zusammen mit einem direkt vor der Stätte im Bau befindlichen Hotel deuten sie an, dass man hier eine Touristenattraktion schaffen möchte.
Zu dem Komplex gehört auch ein altes, von der Prähistorie bis in römische Zeit genutztes Steinbruchareal, das neben Vorratsgruben auch ein Hypogäum aufweist.  Das gesamte Areal ist mit klassischen Cart Ruts übersät. Besonders rund um die Gruben und das Hypogäum herum kann man hier sehr schön Rillen in großer Menge sehen, die, teils radial, aus diesem hinausführen. Diese Spuren sind deutlich als Aushubspuren zu deuten. Beim Anlegen der Gruben und des Hypogäums wurden die Gesteine und Erdmassen vermutlich auf Barrenkonstruktionen heraustransportiert und erzeugten im weichen Muschelkalk so die auffälligen Rillenspuren.

Abb. 5: Umfangerreiche Rillenspuren im Steinbruch von Montefi, Menorca (Foto: André Kramer)
Abb. 6: Schleifspuren rund um das Hypogäum im Steinbruch von Montefi (Foto: André Kramer)
Abb. 7: Gut zu sehen ist, wie die Schleifspuren aus dem Eingang herausführen (Foto: André Kramer)

Ein anderes Beispiel für Cart Ruts, die vermutlich in einem Zusammenhang mit Aushubarbeiten stehen, findet sich auf einer anderen Mittelmeerinsel, nämlich auf Sardinien. Sardinien beherbergte eine eigene megalithische Kultur, deren Hauptarchitektur durchaus Ähnlichkeiten zu jener der Talayotkultur der Balearen aufweist.        
Ab 1600 v. Chr. wurden von den bronzezeitlichen Bewohnern der Insel in zyklopischer Bautechnik (Bruchsteinmauerwerk ohne Mörtel) teils gewaltige megalithische Rundtürme, sogenannte Nuraghen, errichtet, von denen Sardinien tausende beherbergt und die vermutlich als Befestigungs- und Verteidigungsanlagen fungierten. Der massive Festungscharakter wird besonders bei der Nuraghe Losa sehr deutlich.

Abb. 8: Nuraghe Losa (Foto: André Kramer)

Zu den älteren Bauwerken Sardinien gehören die so genannten Domus de janas (Feenhäuser), die als künstliche Grabhöhlen von der Ozieri-Kultur (4000–3500 v. Chr.) geschaffen wurden.
In der Necropoli di su Crucifissu Manau, einem ausgedehnten Gräberfeld im Nordwesten der Insel, finden wir den Kalksteinuntergrund ebenfalls übersät mit Cart Ruts. 22 Domus de janas wurden hier in den Fels gehauen, zudem tragen deren Wände Petroglyphen mit Stiermotiven. Archäologen konnten in den Gräbern große Mengen menschlicher Knochen bergen.  Die doppelgeleisigen Rillenspuren führen kreuz und quer über die Kalkoberfläche. Der Umstand, dass die Cart Ruts immer wieder von den Domus de janas unterbrochen werden, zeigt zum einen, dass die Rillen älter sind als die Grabbauten, und deutet auch hier darauf hin, dass die Spuren das Produkt der Aushubarbeiten für das Anlegen der unterirdischen Gräber sind. Der unmittelbare gemeinsame Kontext lässt einen Zusammenhang zwischen den Domus de janas und den Cart Ruts mehr als deutlich werden. Es erscheint mehr als unwahrscheinlich, dass beide archäologischen Phänomene an dieser Stelle zufällig unabhängig voneinander auftreten. Es lässt sich vermuten, dass der umfangreiche Aushubs beim Anlegen der Grabhöhlen mittels Karren oder Barren-Wagen abtransportiert wurde und so die Rillen in dem weichen Kalksteinuntergrund entstanden.

Abb. 9: Cart Ruts, unterbrochen von den Domus de janas (Foto: André Kramer)
Abb. 10: Nochmal gut zu sehen, wie die Rillenspuren von den in den Fels gehauenen Gräbern unterbrochen werden (Foto: André Kramer)
Abb. 11: Felsbilder in Form von Stierhörnern in einem der „Feenhäuser“ der Necropoli di su Crucifissu Manau (Foto: André Kramer)

Fazit

Cart Ruts zeigen sich vielerlei Orts zwar in ähnlicher Ausprägung, doch erscheinen pauschal vereinheitlichte Lösungen für ihr Entstehen und ihre Nutzung nicht der richtige Ansatz zu sein. Die Geleise können durch reine Abnutzung durch metallbeschlagenes Räderwerk in den Fels geschliffen werden oder gar künstlich vorgearbeitet sein, um ein Befahren zu ermöglichen. In den obigen Beispielen dürfte es sich hingegen um Schleifspuren handeln, die von dem Abtransport des Aushubmaterials bei dem Anlegen unterirdischer Anlagen zeugen.

Quellen

Bulle, H. 1948: Geleisestraßen des Altertums (mit einem Anhang über die Bronzebleche von Gurina), München.

Däniken, E. von 2004: Die Steinzeit war ganz anders, Augsburg.

Hausdorf, H. 2015: Die Botschaft der Megalithen. Wer erbaute die steinernen Wunder?, München.

Horn, J. 2018: Die Cart-Ruts von Malta – Ein Rätsel wird entziffert. Vortrag auf dem A.A.S.-1-Day-Meeting am 04.10.2018 in Siegen.

Lai, L. 2021: Die Stimme der Knochen: Frauen und Männer im Schatten der Megalithen, in: F. Doria et al. (Hg.), Sardinien. Insel der Megalithen. Von Menhiren und Nuraghen: Geschichte in Stein im Herzen des Mittelmeers, Rom.

Magin, U. 2021: Karrenspuren weltweit – eine Liste. Wunderkammer der Kulturgeschichte, aufgerufen am 01.10.2024.

Melis, P. 2018: Prehistoric Sardinia, Sassari.

Olives, E. S. 2015: Guide Talayotic Minorca. The prehistory of the Island, Sant Lluis.

Schneider, U. 2021: Wege ins Nichts. Cart-Ruts – Rätselhafte Wagenspuren der Vorzeit, Graz.

Schwäbischer Albverein Ebingen: Loisenputzete am Siebenkreuzleweg, aufgerufen am 01.10.2024.

Siehe auch:
Die Gleise von Malta
Malta: Megalithtempel und Karrenspuren aus der letzten Eiszeit?
Cart Ruts in Mittel- und Südamerika