Cart Ruts in Mittel- und Südamerika

Ab. 1: Cart Ruts in der Necropoli di Cruscifissu Manau auf Sardinien (Foto: André Kramer)

Zum Kanon de Prä-Astronautik gehören heute „rätselhafte“ Geleisspuren im Fels, für die vor allem die Insel Malta und deren Nachbarinsel Gozo bekannt geworden sind. Diese Karrenspuren oder Cart Ruts weckten das Interesse von Erich von Däniken und einigen seiner Mitstreiter und sind weit verbreitet in Europa und dem Orient anzutreffen.
Es handelt sich bei Cart Ruts um paarweise oder mehrspurig anzutreffende Geleise, zumeist in weichem Gestein wie Kalk- oder Sandstein, die offensichtlich von beräderten Vehikeln herrühren.
Längst hat sich auch in der Prä-Astronautik herumgesprochen, dass derartige Spurrillen an vielen Orten Europas inklusive Deutschland anzutreffen sind.      
Das Thema der „alten Wagenspur“ ist in der archäologischen Literatur indes ein sehr altes Thema. Bereits 1944 befasste sich Heinrich Bulle ausführlich mit den Cart Ruts Europas und des Orients.      
Für die Wissenschaft steht hierbei fest, dass diese Spurrillen von beräderten Wagen herrühren oder von Bahrenwagen. Das Alter der Cart Ruts ist hierbei regional unterschiedlich. So konnten derartige Spuren auf den Azoren gut datiert werden, da sie von vulkanischer Asche bedeckt waren. Die gemachten Schnitte deckten sich mit einem Ausbruch vor etwa 1000 Jahren.   Andere wie etwa die Römerstraße von Bacharach in Rheinland-Pfalz werden in die römische Zeit datiert.

Abb. 2: Mutmaßlich römerzeitliche Cart Ruts bei Bacharach in Rheinland-Pfalz (Foto: André Kramer)

Weniger bekannt, aber umso interessanter ist der Umstand, dass ethnographische Quellen uns auch Hinweise auf derartige Gleisspuren in Mittel- und Südamerika geben und eine Erklärung für ihre Entstehung gleich mitliefern.      
Die älteste mir vorliegende Quelle hierfür ist der weltbekannte Naturforscher Alexander von Humboldt (1769‒1859). Auf seiner bahnbrechenden Amerikareise von 1799 bis 1804 gelang es ihm zum Beispiel herauszufinden, dass der Orinoco mit dem Amazonas verbunden ist.
Während besagter Expedition, den Orinoco entlang, entdeckte er merkwürdige Fahrspuren im Gestein und befragte die eingeborenen Führer zu diesen und wo sie herrühren. Humboldt schreibt hierzu:

„Sie sprachen von einem unbekannten Geschöpf von den Tieren mit den großen Hörnern, welche zur Zeit der Grenzexpeditionen die Fahrzeuge durch das Tal des Keri von Rio Toparo zum Rio Caneji gezogen, um die Katarakte zu umgehen und die Mühe des Umladens zu ersparen.“

Hier wird ziemlich deutlich, dass von Ochsengespannen die Rede ist, die den Eingeborenen dieser Region natürlich vor Ankunft der Europäer vollkommen unbekannt waren und die sie deshalb auch nicht zu benennen wussten.         
Interessanter noch sind die kurzen Randbemerkungen von Eduard Seler (1849‒1922). Seler, der bekannte Altamerikanist und ehemaliger Leiter der Amerika-Abteilung der Berliner völkerkundlichen Sammlung, unternahm per Eisenbahn und Pferd in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts eine Reise durch Mexiko und merkt an einer Stelle seiner Reisebriefe nebensächlich an, wie seine Mitreisenden und er selbst gerade Cart Ruts produzierten, als er die Beschwerlichkeiten beschreibt, die diese Reise mit sich brachte:

„In das mürbe, zerreibbare Gestein drücken die Wagen tiefe Geleise und reissen die Wasser tiefe Furchen.“

Seler beschreibt hier zum einen die erosive Wirkung des Wassers auf das weiche Gestein, als auch den Effekt der Räder der Wagen, die über diesen fahren und so Karrenspuren erzeugen.
Abgesehen von einigen interessanten Fragestellungen in Bezug auf bestimmte Geleisspuren, die zuweilen in der Prä-Astronautik aufgeworfen werden, so zeigt sich hierbei, dass ihre Existenz an sich wenig rätselhaft und überall da zu beobachten ist, wo geeignete Bedingungen (metallbeschlagene Wagenräder, Bahren, weiches Gestein usw.) anzutreffen sind.

Weitere Diskussionen zum Phänomen Cart Ruts finden sich auch hier auf Wunderkammer der Kulturgeschichte:

André Kramer: Malta: Megalithtempel und Karrenspuren aus der letzten Eiszeit?
Ulrich Magin: Die Gleise von Malta
Ulrich Magin: Karrenspuren weltweit – Eine Liste

Quellen

Bakker, L. 2002: Zeugnisse des Handels. Neues aus der rätischen Hauptstadt AELIA AVGVSTA (Augsburg), in W. Menghin / D. Planck (Hg.), Menschen, Zeiten, Räume. Archäologie in Deutschland, Stuttgart.

Bulle, H. 1947: Geleisstraßen des Altertums (mit einem Anhang über die Bronzebleche von Gurina). Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie der Wissenschaften Heft 2, München.

Däniken, E. von 2004: Die Steinzeit war ganz anders, Augsburg.

Hausdorf, H. 2001: Experiment: Erde. Die Zukunft, die schon gestern war, München.

Humboldt, A. von 1990: Die Reise nach Südamerika, Göttingen.

Rodriques, F. / Madruga, J. / Martins, N. / Cardoso, F. 2018: Dating the Cart-Ruts of Terceira Island, Azores, Portigal. Archaeologigical Discovery 6, 279‒299. https://doi.org/10.4236/ad.2018.64014

Schneider, U. 2021: Wege ins nichts. Cart-Ruts – Rätselhafte Wagenspuren der Vorzeit, Graz.

Seler, E. 2018 (11889): Reisebriefe aus Mexiko, Berlin.