Eine Megalithkultur auf Sri Lanka und das Problem der globalen Megalithik
Abb. 1: Eines der Dolmenfelder von Ibbankatuwa (Foto: André Kramer)
Das Neolithikum in Europa ist architektonisch geprägt von tausenden Bauwerken aus großem, rohem Stein, die wahrscheinlich im Rahmen eines Totenkults errichtet wurden. Dolmen, Menhire, Steinkreise und Steinreihen überziehen als Zeugnisse der Megalithkulturen zu tausenden den europäischen Kontinent und konzentrieren sich hierbei auf Meeresnähe und schiffbare Flüsse.[1] Obgleich wir keine europäischen Schiffe aus der Jungsteinzeit kennen, befinden sich Megalith-Areale nie mehr als 400 Kilometer von der Küste entfernt,[2] und so liegt der Gedanke nahe, dass sich die Idee des Megalithismus über die Küsten und Flüsse in Europa verbreitete. Die frühesten Monumente dieser Art wurden hierbei vor mehr als 6 ½ tausend Jahren im westlichen Frankreich errichtet.
Während die Hünengräber des Nordens, Stonehenge in Großbritannien und die berühmten Steinreihen von Carnac in der Bretagne einen hohen Bekanntheitsgrad haben, ist es relativ unbekannt, dass es auch in vielen anderen Weltgegenden Bauwerke gibt, die architektonisch ihren Pendants in Europa sehr gleichen.
Das Vorhandensein von Dolmen, Menhiren und Steinreihen bis nach Südost-Asien und Ozeanien hinein hat hierbei besonders zu Beginn des 20. Jahrhunderts für allerhand Spekulationen über einen möglichen Transfer der Megalithidee von Europa bis in diese fernen Länder gesorgt. So glaubte auch Robert Heine-Geldern an einen gemeinsamen Ursprung der Megalithbauten des Westens (Europa und Nordafrika) und denen Indiens und Südostasiens.[3] Eine solche Annahme ist heute sicherlich äußerst fraglich. Dolmen, Menhire und Steinkreise sind architektonisch betrachtet einfache Bauwerke und die Annahme autochthoner Entwicklungen derartiger Bauformen erscheint plausibel. Zu dieser Fragestellung soll zum Schluss dieses Aufsatzes noch einmal kurz Stellung bezogen werden.
Der leider katastrophengebeutelte Inselstaat Sri Lanka, südlich von Indien gelegen, kann neben einer atemberaubenden Natur und Tierwelt auch spektakuläre archäologische Denkmäler aus buddhistischer Zeit aufweisen.
Wenig bekannt, aber real vorhanden, sind jedoch Denkmäler, deren Vorhandensein wir aus Europa nur zu gut kennen. Steinkisten und Dolmen sind auf Sri Lanka zu finden und lassen auch dieses Land in den Reigen der Länder mit einer eigenen Megalithkultur einkehren.
Touristisch gut ausgebaut sind vor allem die megalithischen Steinkisten von Ibbankatuwa in der Landesmitte. Hunderte dieser Gräber für Urnenbestattungen liegen hier verstreut und werden auf 400 v. Chr. datiert.[4]
Zu großen Teilen handelt es sich bei diesen Anlagen um relativ kleine Steingräber (die zwar als megalithic site geführt werden, bei denen das „mega“ aber fraglich erscheint). Beeindruckend ist jedoch ihre große Zahl. Viele dieser Dolmen befinden sich noch weitgehend im Erdboden. Einige etwas größere Gräber sind stark zerstört oder noch teilweise im Erdboden vergraben, sodass ein Eindruck hier nur teilweise möglich ist.
Knapp 80 Kilometer südlich von Ibbankatuwa befindet sich bei Gal massa, direkt neben einem buddhistischen Tempel, ein weiterer und dieses Mal mehr als stattlicher Dolmen. Auf vier großen Steinplatten ruht hier ein Deckstein von mehreren Metern Durchmesser. Da der große Dolmen zum Kippen neigt, wird er inzwischen von zwei Stahlträgern gestützt. Ob dieser Dolmen der gleichen Kultur zuzuordnen ist wie jene kleineren Dolmen in Ibbankatuwa, wie er datiert wird und ob hier archäologische Funde gemacht wurden, darüber konnte ich leider keine Informationen finden.
Damit soll noch einmal die Frage aufgegriffen werden, wie sich das Megalith-Phänomen global erklären lässt. Über die europäischen Megalithen wissen wir von wechselseitigen kulturellen Beeinflussungen. Der Megalithgedanke gelangte von West- und Südeuropa auf die britischen Inseln und in den Norden Europas. In verschiedenen Wellen erreichte der Megalithismus auch verschiedene Mittelmeerinseln und den Norden Afrikas. Zum Teil entwickelten sich ganz eigene Formen megalithischer Architektur, wie etwa die Nuraghen und Gigantengräber Sardiniens oder die Talayots der Balearen. Andere megalithische Traditionen wie etwa die maltesischen Tempel erscheinen als vollständige Eigenentwicklungen.
Peter Tschudin glaubt an eine mögliche Ausbreitung der Megalithidee in vorchristlichen Zeiten von Europa bis nach Asien und in nachchristlicher Zeit von hier aus weiter nach Ozeanien mit der Möglichkeit, dass diese Architekturform entweder auf diesem Wege Mittel- und Südamerika erreichte oder ebenfalls von Europa ausgehend. Eine weitere Richtung sei in vorchristlicher Zeit nach Nordafrika und von dort in nachchristlicher Zeit nach Zentralafrika verlaufen.[5]
Interessanterweise scheinen die Einflüsse und Kulturkontakte keine Einbahnstraße gewesen zu sein. So fanden sich im Galeriegrab von Kerguntuil in der Bretagne bei Grabungen 1939 zum Beispiel zwei Ringlaschen nordeuropäischen Typs.[6] Diese Galeriegräber stammen aus einer späteren Phase der bretonischen Megalithik und wurden zwischen 3000 und 2500 v. Chr. errichtet.
Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch, dass – trotz verwandtschaftlicher Verhältnisse zwischen den europäischen Megalithbauten – diese ein hohes Maß an regionaler Individualität aufweisen, mit dem Ergebnis, dass den ForscherInnen bis heute nicht gelungen ist, eine übergreifende Typologie zu erstellen. Volker Pingel führt hierzu aus:
„Praktisch alle Modelle sind primär auf ein Teilgebiet oder einen regionalen Ausschnitt der Megalithen bezogen, d. h. es werden immer wieder einzelne regionale Elemente überbetont und andere zwangsläufig vernachlässigt.“[7]
Hieraus ergibt sich ein weitreichendes Problem: Bauwerke in megalithischer Tradition finden wir, wie bereits erwähnt und am Beispiel Sri Lankas aufgezeigt, global. Eine umfängliche Gesamtübersicht ist meines Wissens bislang nicht erfolgt. Megalithische Bautradition folgt zwar gewissen Gemeinsamkeiten, etwa in der Konstruktion von Dolmen oder dem Aufrichten von Menhiren, doch handelt es sich hierbei um architektonische Strukturen einfacher Natur. Es erscheint mehr als plausibel, dass die grundsätzliche Idee hierzu mehrfach und unabhängig voneinander entstanden ist. Auch wenn das Grundprinzip ähnlich ist, so gibt es trotzdem große Unterschiede zwischen zum Beispiel einem Polygonaldolmen in Schleswig-Holstein und jenem Steintisch von Gal massa. Eine einheitliche Typologie verwandter Monumente in Europa ist bislang nicht gelungen. Wie soll dann ein potenzieller Nachweis verwandtschaftlicher Beziehungen weit über die Kontinentalgrenzen hinweg erfolgen?
Das nächste Problem liegt in der zeitlichen Zuordnung. Während wir für Europa eine zeitliche Zuordnung der Megalithik vom Neolithikum bis stellenweise in die Bronze- oder sogar frühe Eisenzeit hinein (Sardinien) nachweisen können, so sind die datierten Megalithbauten Asiens und Ozeaniens wesentlich jünger datiert. Auf der Insel Nias westlich von Sumatra zum Beispiel bestand noch im zwanzigsten Jahrhundert eine megalithische Bautradition.[8] Die Annahme einer Verbreitung unter diesen Bedingungen wäre vergleichbar mit einem Staffellauf, bei dem die Idee weitergegeben wird, während die Ursprungskulturen die Megalithbauweise gleichzeitig aufgeben. Ein megalithischer Ideentransfer nach Mittel- und Südamerika bewegt sich noch weiter ins Feld der Spekulationen.
Auch muss erwähnt werden, dass Megalithik außerhalb Europas regional nur in sehr begrenzten Arealen vorzufinden ist, verglichen mit der großräumigen Verteilung in unseren Gefilden. Dieser Umständ führt zu weiteren Problemen bei der Transfer-Idee.
Zu guter letzt muss noch auf die ideologische Fragwürdigkeit dieser Idee hingewiesen werden, mit der immer die Annahme einhergeht, die Kulturen anderer Kontinente seien nicht zu eigenständigen Entwicklungen in der Lage gewesen und hätten hierfür die Europäer als Kulturbringer benötigt.
Trotz all dieser Kritikpunkte sei aber angemerkt, dass wir das Phänomen Megalithkulturen bis heute nicht gänzlich erfasst haben und viele offene Fragestellungen, wie sie hier zum Teil auch angedeutet wurden, bestehen bleiben und eine weitere Erforschung dieses Phänomens zu einer spannenden Aufgabe machen.
Quellen
Bonatz, D. 2001: Wandel einer Megalithkultur im 20. Jahrhundert (Nias/Indonesien). Anthropos. Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachkunde 96, 105–118.
Briard, J. 2009: Die Megalithen der Bretagne, Frankreich.
Heine-Geldern, R. 1928: Die Megalithen Südostasiens und ihre Bedeutung für die Klärung der Megalithenfrage in Europa und Polynesien. Anthropos. Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachkunde 23, 276–315.
Pingel, V. 1999: Megalithgruppen und ihre archäologische Differenzierung – ein Rückblick, in: Beinhauer, K. W. et al. (Hg.), Studien zur Megalithik. Forschungsstand und ethnoarchäologische Perspektiven. Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 21, Langenweissbach, 37–50.
Pozzi, A. 2013: Megalithism. Sacred and Pagan Architecture in Prehistory, Boca Raton.
Reden, S. von 1978: Die Megalith-Kulturen. Zeugnisse einer verschollenen Urkultur. Überarbeitete und veränderte Neuauflage, Köln.
Tschudin, P. F. 2016: Megalithische Welten. Eine Spurensuche, Basel.
Walkowitz, J. E. 2003: Das Megalithsyndrom. Europäische Kultplätze der Steinzeit, Langenweissbach.
[1] Vgl. Reden 1978, 23.
[2] Vgl. Walkowitz 2003, 23.
[3] Vgl. Heine-Geldern 1928, 276 f.
[4] Vgl. Pozzi 2013, 280.
[5] Vgl. Tschudin 2016, 169 ff.
[6] Vgl. Briard 2009, 60.
[7] Vgl. Pingel 1999, 44.
[8] Vgl. Bonatz 2001.