Burrows Cave

Gesichter aus Burrows Cave (Quelle; Bürgin 1998, 43)

Fundumstände

April 1982. Der Amerikaner Russell Burrows aus Olney, Illinois, stößt in einem abgelegenen Tal angeblich auf ein unterirdisches Tunnelsystem. In diesem entdeckte er nach eigener Aussage, nachdem er den Eingang freigeschaufelt und die verriegelte Tür geöffnet hatte, mehrere Grabkammern mit Bestattungen: Ein aufgebahrtes Skelett mit Grabbeigaben in Form von Äxten, Speerspitzen und Kupfer- und Bronzewerkzeugen in einer ersten sowie eine Frau und zwei Kinder, die anscheinend mit Axthieben getötet wurden, in einer zweiten Kammer. Burrows erwähnt auch Geister, die die Gruft bewachen sollen, wobei er eine kurze Erscheinung eines solchen gehabt haben will (Burrows/Rydholm 1992, 36-47). Erst 1987-88 erkundete Burrows die Hauptkammer, in der er angeblich neben zahlreichen Statuen von Menschen und Mischwesen auch einen großen Steinsarkophag entdeckte, darin einen goldenen Sarkophag mit einer Mumie (ebd., 166). Vor allem aber habe er in der Höhle unzählige Goldobjekten und gravierte Steine vorgefunden, von denen er mehrere tausend Stück aus der Höhle entfernte – die einzigen untersuchbaren Ergebnisse der Entdeckung (Bürgin 1998, 25 ff).

Beschreibung

Während die Funde aus Burrows Cave längst auf verschiedene Privatsammlungen verteilt sind, existieren doch zahlreiche Fotos. Auf vielen Steinen finden sich kurze oder etwa längere Inschriften, die aus Zeichen verschiedener Schriftsysteme (darunter ägyptisch, phönizisch, iberisch, sumerisch, etruskisch …) zusammengesetzt sind. Andere zeigen bildliche Darstellungen – sehr häufig Profilgesichter, darunter Indianer, Römer, ein bärtiger „König“, ein „Jesusportrait“ und ein comichaftes Hühner-Wesen; außerdem auch zahlreiche ägyptisch anmutende Darstellungen, Fabelwesen (etwa ein Zentaur mit Dreizack sowie Satyre), behelmte Gestalten, Gestirne, Schiffe und sogar ein Elefant. Harry Hubbard zufolge fanden sich auf Steinen, von denen keine öffentlich bekannten Bilder existieren, auch Darstellungen von „prähistorischen Land- und Seekreaturen und seltsamen Wesen in Anzügen“ sowie Flugobjekten, mutmaßlich extraterrestrischen Wesen und auch Büsten mit reptilienartigen Gesichtszügen (Bürgin 1998, 47). All dies ermöglicht entsprechend eine Vereinnahmung für verschiedenste diffusionistische oder prä-astronautische Theorien. Während die Funde in der Grabkammer Burrows selbst instinktiv „ägyptisch“ erschienen (Burrows/Rydholm 1992, 166), machen andere Parteien etwa Ägypter und Libyer (Jack Ward – Burrows/Rydholm 1992, 54), römisch-hellenistische Mauretanier (Paul Schaffranke[1]) oder „Sonnenkönige“ außerirdischer Abstammung (Joseph Mahan – Burrows/Rydholm 1992, 210) für die Relikte verantwortlich.

Weitere Ereignisse

Bereits kurz nach der Entdeckung gab Burrows eine kleine Zahl von Steinen an Thelma McClain weiter, die Betreiberin eines lokalen Antiquitätenladens (ebd., 52). Dort stieß der Museumsbetreiber Jack Ward, selbst ein Vertreter diffusionistischer Theorien, auf die seltsamen Fundstücke und nahm Kontakt zu Burrows auf. Dieser überließ ihm schließlich den Großteil der Funde; im Gegenzug sollte Ward weitere Forschungen finanzieren (ebd., 54 f). Über mehrere Jahre bemühten sich beide – auch unter Einbeziehung weiterer Personen wie Virginia Hourigan, Norman Cullen sowie Warren Cook und Warren Dexter – um die Bekanntmachung und wissenschaftliche Akzeptanz der mutmaßlich spektakulären Funde; die Geschichte der Zusammenarbeit einschließlich der zahlreichen Verwicklungen dokumentierte Burrows in dem gemeinsam mit Fred Rydholm verfassten Buch The Mystery Cave of Many Faces.

Wie sich nach dem Tode Jack Wards 1991 herausstellte, hatte dieser einen Großteil der Objekte hinter Burrows Rücken verkauft – insgesamt 1665 Steine sowie eine Zigarrenkiste voller Goldmünzen, die angeblich rund 250 000 $ einbrachten (ebd., 202).
Schließlich schaltete sich mit Harry Hubbard, dem Gründer der Forschungsgesellschaft „Ptolemy Productions“ ein weiterer Akteur in die Affäre ein. Anhand von Dokumenten (darunter mutmaßliche Korrespondenzen Burrows, größtenteils aus dem Nachlas von Jack Ward), die er später auch dem Schweizer Grenzwissenschaftler Luc Bürgin zur Verfügung stellte, beschuldigte Hubbard wiederum Burrows: Dieser habe zwischen 1987 und 1989 selbst Goldobjekte aus der Höhle im Wert von rund 7 Mio. Dollar verkauft, zudem von Ward über Jahre hinweg über 20 000 Dollar für seine weiteren Aktivitäten vorschießen lassen, die er schließlich 1990 in Form von Goldobjekten zurückbezahlte. Burrows selbst bestritt zunächst die Existenz, nach Offenlegung schließlich die Authentizität besagter Dokumente und bezeichnete Hubbard in dieser Angelegenheit als Lügner. Die Goldobjekte seien nie aus der Höhle entfernt worden, wobei es sich bei vielen der bekannten Steine um Duplikate der (am Ende womöglich verkauften) Goldfunde handle (Bürgin 1998, 31 ff). Von den eigentlichen Goldobjekten scheinen keine Bilder zu existieren; bei jenen in Burrows‘ Buch abgedruckten handele es sich (dem Errata-Zettel zufolge) ausschließlich um Replikate au vergoldetem Blei.

Diskussion

In der Fachwelt werden die Funde aus Burrows Cave weithin als moderne Fabrikationen angesehen. Dafür spricht vor allem die vielfältige und gerade im Falle der Schriftzeichen sinnlose Vermischung verschiedener kultureller Traditionen. Ein Szenario, das die Anwesenheit all dieser Einflüsse erklärt, ist schwer zu finden bzw. wäre seinerseits eine höchst komplexe und gezwungene (damit unplausible) Theorie. Zudem bestehen weder Parallelen für die Funde in der Alten Welt, noch gibt es weitere Spuren der hypothetischen Kultur (Siedlungen mit Keramikresten etc., weitere Gräber, gehandelte oder verschleppte Artefakte an anderen Orten) in der Neuen.
Umstritten ist die Bedeutung der anscheinend einzigen eingehenden Untersuchung der Artefakte durch Wissenschaftler des Field Museum of Natural History in Chicago, denen Burrows eine Auswahl von rund zwanzig Objekten zur Untersuchung zur Verfügung gestellt hatte. Dr. Robert B. Pickering kam ohne Zweifel zu dem Schluss, dass es sich bei den Steinen um moderne Fertigungen, sprich Fälschungen handeln müsse. Die Gravierungen seien frisch und ohne Abnutzung oder Patina, wie bei alten Objekten zu erwarten; auch weise die Art der Bearbeitung auf eine Verwendung moderner Stahlwerkzeuge hin und unterscheide sich damit von jener bei authentischen Artefakten indianischen oder ägyptischen Ursprungs (Burrows/Rydholm 1992, 67). Der Ägyptologe Frank J. Yurco kam anhand stilistischer Argumente zum selben Schluss, denn die ägyptisierenden Darstellungen weisen zahlreiche Anachronismen und Fehler auf: Im Bild eines Schreibers, der an eine Darstellung aus dem Alten Reich erinnert (während andere Bilder offensichtlich Motive des 1. Jts. v. Chr. kopieren), fehle die Schreibpalette (was den Pinsel somit sinnlos macht) und anstatt eines Zepters sei eine Axt dargestellt. Die Darstellung eines Edelmanns trage die nur Königen vorbehaltene Uräus-Schlange, ein Königszepter sei falsch herum dargestellt und auch sonst Ikonographie und Symbolik „entstellt“ und „verwirrt“. Die Hieroglyphen ergäben keinerlei Sinn; der Stil spreche weiterhin für eine Anfertigung aller Stücke durch einen einzigen Künstler. Dem Fälschungsvorwurf schlossen sich die Archäologen Catherine Sease und David Reese an, vor allem mit Hinweis auf die amateurhafte Ausführung und kulturelle Widersprüchlichkeit der Objekte (ebd., 69-74). Dem vernichtenden Urteil setzt Burrows selbst jedoch eine seltsame Beobachtung entgegen: Ihm zufolge seien die Artefakte bei der Rücksendung genauso verpackt gewesen wie zuvor, also mutmaßlich niemals ausgepackt und untersucht worden (ebd., 75). Dies ist so nicht weiter überprüfbar – zumindest die stilistischen Argumente bestätigen sich jedoch an den von den Objekten veröffentlichten Fotos.

Der Elefantenstein aus Burrows Cave. Das mittlere Zeichen der oberen Zeile hat beim Original aus der Crespi-Sammlung einen senkrechten Mittelstrich; das “kursive” Zeichen hier entspricht Barry Fells fehlerhafter Umzeichnung (Quelle).

Ein weiteres hartes Argument gegen die Echtheit der Stücke brachte der Autor Barry Fell vor, seinerseits einer der bekanntesten Verfechter diffusionistischer Theorien.
Einer der Steine aus der Burrows Cave kopiert bis ins Detail ein Objekt aus der Sammlung des Pater Crespi in Cuenca, Ecuador. Dargestellt ist eine Pyramide mit einer Inschrift, gekrönt von einer Sonne und einem Elefanten (daher als Elephant Stele bekannt). Fell druckte 1976 eine Umzeichnung der Stele in seinem Buch America B.C. ab, veränderte dabei jedoch bei der Korrektur ein Zeichen geringfügig, um es seiner angenommenen Übersetzung anzupassen; in späteren Publikationen behob er den Fehler. Auf dem Burrows-Cave-Stein erscheint die Elefanteninschrift in exakt dieser veränderten Variante, woraus Fell schloss, dieser müsse nach dem Vorbild seines Buches und somit nach 1976 angefertigt worden sein. Burrows selbst streitet die Gemeinsamkeit nicht ab (sein Buch zeigt auch eine Gegenüberstellung aller Varianten und gibt Fells Argumente korrekt wieder); den Vorwurf der Fälschung jedoch weist er zurück und beruft sich auf das Vorhandensein weiterer Steine mit der korrekten Inschrift, womit beide Fassungen in Burrows Cave bezeugt seien (Burrows/Rydholm 1992, 91-94). Von jenen existieren auch Abbildungen, doch wäre zu untersuchen, ob die Existenz dieser Steine bereits vor Barry Fells Fälschungsvorwurf (1986) bezeugt ist (und sie nicht erst in Reaktion darauf hergestellt wurden).
Andere Gutachter sprachen sich für die Authentizität der Stücke aus, so der Ingenieur Dr. James Scherz, Dr. Joseph Mahan und der emeritierte Geschichtsprofessor Dr. Cyclone Covey (ebd., 179) – allesamt langjährige Verfechter diffusionistischer Theorien. Scherz erwähnt Korrosionsspuren an den Steinen, die auf hohes Alter hindeuten; weitere fachliche Argumente zitiert Burrows trotz sonst penibler Dokumentation (selbst der Aussagen seiner Gegner) jedoch keine (ebd., 190 f). Das sonst am häufigsten genannte Argument für die Echtheit der Artefakte ist deren große Zahl, die schwerlich auf einen alleinigen Fälscher zurückgehen könne, doch ist dies – auch in Anbetracht anderer ähnlich gearteter Fälle wie etwa den Michigan-Relikten  oder der Crespi-Sammlung (von der selbst Pater Crespi selbst die rezente Fertigung vieler Stücke zugab – ebd., 99) – wohl ein eher schwaches Argument, das den Fleiß potentieller Fälscher unterschätzt. Den Ort der angeblichen Höhle gab Burrows – auch gegenüber an einer Erforschung interessierten Wissenschaftlern – niemals preis, vorgeblich um sie vor Plünderung zu bewahren. Auch wurden niemals Fotografien des Höhleninneren gemacht oder weitere, besser untersuchbare Proben genommen. Für die Existenz der Höhle sowie die angeblich dort verbliebenen Funde existiert somit kein unabhängiger Nachweis. Der angebliche Eigentümer des Landes, auf dem sich die Höhle befunden haben soll, wurde von Russell Burrows als George Neff oder Mr. Black angegeben (später angeblich ein Pseudonym), wobei niemand anderes als Burrows selbst mit diesem Kontakt hatte. Sowohl Hubbard als auch Luc Bürgin sind der Meinung, dieser sei eine bloße Erfindung Burrows‘, um über fingierte Briefe Druck auf seine Unterstützer auszuüben und diese zum Kauf weiterer Artefakte zu animieren (Bürgin 1998, 42).
Wenn man von einer Fabrikation der Objekte durch Burrows selbst ausgeht, stellt sich jedoch die Frage nach dem Ursprung des Goldes, das dieser und Jack Ward (den Recherchen von Hubbard zufolge) verkauft haben sollen – so dieses tatsächlich existierte. Zwar spricht am Ende alles dafür, von einer neuzeitlichen Anfertigung der Artefakte auszugehen, doch bleiben weiterhin offene Fragen im Fall Burrows Cave.

Quellen

Russel Burrows / Fred Rydholm: The Mystery Cave of Many Face. A History of Burrow’s Cave. Superior Heartland, Marquette 1992.

Joseph Wilson: The Cave Who Never Was: Outsider Archaeology and Failed Collaboration in the USA. Public Archaeology 11/2 (2012), 73-95.

Luc Bürgin: Geheimakte Archäologie. Unterdrückte Entdeckungen, verschollene Schätze, bizarre Funde. Herbig, München 1998.

Richard E. Joltes: Burrows Cave. A Modern Hoax.

Rezeption: Luc Bürgin, Lexikon der verbotenen Archäologie / Unsolved Mysteries (161-168)

[1] http://www.illinoiscaves.com/index.htm