Hünengräber und Zyklopenmauern – Riesen als Megalithbaumeister?

Bereits die alten Griechen standen ratlos vor den aus gewaltigen Steinblöcken errichteten Stadtmauern von Mykene und Tiryns, Zeugen einer Jahrhunderte zuvor untergegangenen Zivilisation. So schreibt der Reiseschriftsteller Pausanias im 2. Jh. n. Chr:

„Die Mauer (von Tiryns), welche nämlich von den Trümmern allein noch übrig geblieben, ist ein Werk der Cyklopen, und aus unbearbeiteten Steinen erbaut: ein jeder derselben hat die Größe, daß durchaus auch nicht der kleinste aus seiner Lage durch ein Joch Maulesel weggerückt werden möchte. Kleine Steine sind vor Alters schon eingefügt worden, daß jeder derselben den großen möglichst zur Verbindung diene.“[1]   

Wer hätte solche Steine einst bewegen können, wenn nicht die mythischen Kyklopen? Bis heute wird daher bei Bauwerken aus großen, ohne Mörtel aufeinandergeschichteten Steinblöcken von Zyklopenmauerwerk gesprochen.        
Nicht anders in hiesigen Breiten: Megalithbauten aus grauer Vorzeit zieren die Landschaften Norddeutschlands und Dänemarks, der Sage nach einst von Riesen errichtet: Hünengräber und Langbetten werden die Monumente der jungsteinzeitlichen Trichterbecherkultur (ca. 3700–2900 v. Chr.) im Volksmund genannt. Erstmalig wurde diese Vorstellung von Saxo Grammaticus (um 1200) schriftlich festgehalten:

„Dass Dänemark einst von Riesen bewohnt und bebaut worden ist, bezeugen die gewaltig grossen Felsen, die sich an den Grabstätten und Höhlen der Alten befinden. Wenn jemand zweifelt, dass dies durch übernatürliche Kraft geschehen, so möge er nur die Höhe einiger Berge betrachten und sagen […] wer denn auf ihre Gipfel solche gewaltige Steinmassen gebracht haben mag.“[2]

Noch im 17. Jahrhundert schrieb der niederländische Gelehrte Johan Picardt einem Geschlecht von „Reusen“ die Errichtung der heimischen Megalithgräber zu, festgehalten in seinem bis heute berühmten Kupferstich (s.o.[3]).   
Derartige Sagen gibt es in vielen Regionen: Ġgantija wird der größte Megalithtempel auf der maltesischen Insel Gozo genannt, der Sage nach wurde er von einer Riesin innerhalb einer Nacht erbaut. Auf Sardinien finden sich Gigantengräber, manche mit so einschlägigen Namen wie Sa Domu ’e s’Orcu, das „Haus des Orks“. Und nicht zuletzt die Bibel berichtet über das fast fünf Meter lange Bett des Riesenkönigs Og von Baschan ausgerechnet bei Amman (5. Mose 3,11) – einer Region, die durch eine Vielzahl von Dolmen aus dem Chalkolithikum gekennzeichnet ist.        
Das Muster ist überall das gleiche: Megalithische Bauten aus grauer Vorzeit, deren Errichtung den Menschen der Gegenwart unerklärlich schien, wurden eben einer Rasse von Riesen zugeschrieben. Diese auf den ersten Blick lächerlich abergläubisch erscheinende Erklärung ist dabei gar nicht so weit von manchen heutigen Vorstellungen entfernt – bemühen doch genug einschlägige Publikationen mittlerweile die Beteiligung von Außerirdischen, um die scheinbar unmögliche Errichtung von Monumenten wie Tiahuanaco, Baalbek oder den Pyramiden von Gizeh zu erklären.       
Doch auch wenn Hünen und Zyklopen längst keinen Platz mehr in den Lehrplänen der prähistorischen Archäologie haben, so lohnt sich doch das Gedankenspiel: Wären Riesen – deren reale Existenz vorausgesetzt – eine sinnvolle Erklärung für die Errichtung von Megalithbauten?    
Zumindest vereinzelte Individuen in der Szene der „alternativen Archäologie“ halten dies auch heute noch für möglich. So schreibt etwa Ted Twietmeyer in dem ansonsten wenig überzeugenden Artikel Riesenmenschen wandelten auf der Erde:

„Einige Prinzipien sind von Natur aus universell. Wer über sechs Meter groß ist und mit einem fünfeinhalb Meter langen Stein hantiert, für den wäre es wohl nicht schwieriger, ihn ins Erdreich zu setzen, als für einen modernen erwachsenen Menschen, einen Betonpfahl für einen Briefkasten aufzustellen. Das stellt die Sache vielleicht etwas zu simpel dar, aber Sie verstehen sicher das Konzept.“

„Abhängig von der Größe der Wesen, die vor vielen Jahrtausenden auf der Erde wandelten, ist das Hantieren mit den zum Bau vieler Monumente benutzten Blöcken (Große Pyramide, Stonehenge) funktionell wohl nichts anderes, als wenn ein normaler Mensch einen Standard-Betonblock (20 x 20 x 40 cm) anhebt, wie er beim Hausbau verwendet wird.“ [4]

Doch ist es tatsächlich so einfach?

Berechnungen

Recht hat Twietmeyer nur mit dem ersten Satz: Einige Prinzipien sind in der Tat von Natur aus universell – ebendiese aber widerlegen die folgenden Aussagen. Tatsächlich steht bereits die hypothetische Existenz von Riesen, erst recht aber ihre Beteiligung bei megalithischen Bauwerken vor einem physikalischen Problem:      
Bei einer Verdopplung der Seitenlänge eines Körpers (etwa der Höhe eines Menschen) steigt dessen Masse im Kubik – während ein Würfel mit einer Kantenlänge von 1 m genau 1 m³ Volumen besitzt (1x1x1), sind es bei 2 m bereits 8 m³ (2x2x2), bei 3 m schon 27 m³ (3x3x3). Nehmen wir aus Gründen der mathematischen Einfachheit einen großen Menschen von 2 m Körperhöhe und einem Gewicht von 100 kg an (was gemäß BMI noch „Normalgewicht“, aber bereits knapp an der Grenze zum Übergewicht liegen soll, was auch immer dies bedeutet). Bei gleichen Proportionen hätte dieser Mensch folglich bei einer Größe von 3 m bereits ein Gewicht von 337,5 kg (100 kgx1,5×1,5×1,5), bei einer Größe von 4 m ein Gewicht von 800 kg. Twietmeyer spekuliert über Riesen von 3,70 m bis 5,50 m – letztere hätten bei zuvor genannten Proportionen ein Gewicht von rund 2.080 kg erreicht. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für Megalithen, je größer ihre Ausmaße werden.

Was aber hat dies zu tun mit der Fähigkeit von Riesen, große Steine zu bewegen?
Das Problem liegt in der Natur der Muskulatur: Die Muskelkraft ist nicht abhängig von der Masse des Muskels, sondern von der Summe der Querschnitte sämtlicher Muskelfasern. Diese entspricht näherungsweise dem Querschnitt des gesamten Muskels und wird als physiologischer Querschnitt bezeichnet.[5] Der zweidimensionale Querschnitt aber wächst bei verdoppelter Größe eben nicht im Kubik, sondern nur im Quadrat (ein zweidimensionales Quadrat von 2 m Seitenlänge hat eine Fläche von 4 m², der entsprechende Würfel jedoch eine Masse von 8 m³). Dies bedeutet, dass bei selber Statur ein größeres Wesen zwar in absoluten Zahlen stärker, im Verhältnis zu seiner Körpermasse jedoch immer schwächer wird: „Da die Muskelkraft proportional zu der Querschnittsfläche eines Muskels ist, haben kleine Tiere relativ stärkere Muskeln im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht“[6]. Dies ist der Grund, weshalb winzige Ameisen im Verhältnis zu ihrer Körpermasse so viel stärker sind als wir und mühelos das Dreißigfache ihres eigenen Gewichts tragen können.[7] Für eine über sechs Meter große Person wäre es folglich eben nicht dasselbe, einen fünfeinhalb Meter langen Stein zu bewegen, wie für uns, einen dünnen Betonpfahl aufzustellen – sie müsste überproportional stärker sein, um dies zu vollbringen.

Die stärksten Gewichtheber unter uns Menschen vermögen für kurze Zeit über 400 kg zu heben – jedoch nicht weiter als auf Kniehöhe und nur für wenige Sekunden, was für die Errichtung von Monumenten folglich ausscheidet. Zum Vergleich besser geeignet sind also Leistungen hinsichtlich des längeren Bewegens schwerer Steine.
In Húsafell auf Island befindet sich der 186 kg schwere Húsafell-Stein, der bis heute in Wettkämpfen im Gewichtheben genutzt wird. Dem kanadischen Strongman Gregg Ernst gelang es 1992 erstmals, den Stein 70 m weit zu tragen. Gebrochen wurde dieser Rekord erst 2017 von dem Isländer Hafþór Júlíus Björnsson (bekannt als der „reitende Berg“ Gregor Clegane in der Serie Game of Thrones), der den Stein 90 m weit trug.[8] Von einer vergleichbaren Leistung – zwar unter Mühen, doch erfolgreich den Stein anheben und über eine mittlere Distanz bzw. Zeitdauer zu tragen – müsste man auch zum Aufstellen von Megalithen ausgehen. Nennenswert größere Steine könnten von einzelnen Ausnahmeathleten zwar kurzzeitig gehoben, aber kaum sinnvoll transportiert werden: So hob Björnsson am 2. Mai 2020 als erster Mensch 501 kg im Kreuzheben auf die Knie – dies jedoch nur mühsam und für wenige Augenblicke, was für ein Bauvorhaben wertlos wäre.[9]
Nehmen wir im Folgenden also die Leistung Björnssons – eines der stärksten Männer unserer Zeit an einem außergewöhnlich schweren Stein – zum Maßstab für eine optimistische Schätzung der Leistung riesischer Megalithbauer.

Björnsson ist 2,05 groß und rund 180 kg schwer.[10] Nehmen wir für einen hypothetischen Riesenbaumeister also eine vergleichbare Statur und proportional größere Kraft an. Mit diesem Extrembeispiel wäre somit noch am ehesten das absolute Maximum des Denkbaren gegeben, das die Fähigkeiten eines durchschnittlichen Individuums noch bei weitem übersteigen dürfte. Die überproportionale Muskelmasse könnte freilich den Körperbau spiegeln, den man bei einem Riesen, der ein ungleich höheres Körpergewicht bewegen muss, ohnehin annehmen müsste. Ansonsten ist es jedoch höchst unwahrscheinlich, dass Individuen der Stein- oder Bronzezeit mit damaliger Ernährung etc. einen Trainingsstand vergleichbar modernen Hochleistungsathleten erreicht hätten.   
Bei einer Größe von 4 m käme ein solcher Strongman-Riese auf ein Gewicht von rund 1.440 kg und könnte einen Stein von 744 kg bewegen. Bei einer Größe von 6 m, wie es Twietmeyer noch ernsthaft in Betracht zieht, käme man auf ein Eigengewicht von 4.860 kg (vergleichbar einem ausgewachsenen afrikanischen Elefantenbullen) und eine bewegbare Last von höchstens 1.674 kg. Während also der lebende Björnsson einen Stein von mehr als seinem Eigengewicht bewegen konnte, schafft bei selber Statur der Riese mit doppelter Körpergröße nur noch die Hälfte, bei dreifacher bloß ein Drittel seiner eigenen Körpermasse. Ein solcher Körperbau ist bereits ohne weitere Kraftakte problematisch – die Knochen des Riesen müssten ungleich stabiler gebaut sein, um nicht unter seinem eigenen Körpergewicht (zuzüglich eines zu transportierenden Steins) zu brechen. Eine solche Eigenmasse läge zoologisch durchaus im Bereich des Denkbaren – schließlich erreichten auch einige zweibeinige Dinosaurier wie etwa der Tyrannosaurus ein Körpergewicht von mehreren Tonnen. Doch würde dies einen gänzlich anderen Körperbau voraussetzen, sodass das entstandene Wesen kaum länger als zur menschlichen Gattung gehörig zählen dürfte. Wahrscheinlich müsste ein solcher Riese etwa seinen Kopf eher nach vorne gebäugt möglichst auf selber Höhe des Herzens tragen, damit dieses ihn noch ausreichend durchbluten kann (andernfalls müsste das Herz überproportional groß und leistungsfähig sein) – eine solche Haltung könnte jedoch zu Problemen mit der Wirbelsäule führen. Der gewöhnliche Körperbau eines Menschen, proportional vergrößert, wäre für einen Riesen jedenfalls nicht geeignet. 
Nehmen wir weiter an, ein Riese könnte auch bei einer Körpergröße von 10 m einen funktionierenden Organismus behalten, so ergäbe dies mit einem Gewicht von 22,5 t das größte Landsäugetier aller Zeiten – fast viermal so schwer wie ein afrikanischer Elefantenbulle, in einer Gewichtsklasse mit den prähistorischen Riesentieren Paraceratherium und Palaeoloxodon namadicus. Mehr als doppelt so schwer wie ein Tyrannosaurus (bis zu 9 t), handelte es sich dabei um das mit Abstand schwerste zweibeinige Landtier aller Zeiten – anatomisch wahrscheinlich unmöglich. Ein solcher Riese könnte zwar einer Giraffe (max. 6 m hoch) auf den Kopf spucken, aber nur maximal 4650 kg Last (weniger als ein Viertel seines Körpergewichts) tragen.
Doch reicht diese Kraft überhaupt aus, um Megalithen zu bewegen?

Das Großsteingrab mit dem größten Deckstein in Schleswig-Holstein ist der Brutkamp in Albersdorf. Der Deckstein wiegt 17 Tonnen. Allein um diesen Fels zu bewegen, bräuchte es also 10 Riesen von 6 m oder 4 Riesen von 10 m Größe und maximal muskulöser Statur – vorausgesetzt, diese könnten den Stein gleichzeitig anpacken und dabei das Maximum ihrer Kraft entfalten, was schwerlich der Fall wäre.

Der Brutkamp in Albersdorf (Kr. Dithmarschen), verglichen mit anderen Megalithanlagen noch ein relativ bescheidenes Bauwerk. Nicht weniger als 10 Riesen von 6 m Größe und maximaler Kraft bräuchte es, den 17 t schweren Deckstein an seinen Platz zu heben. (Foto LI)

Die Sarsensteine von Stonehenge wiegen mit bis zu 50 Tonnen sogar fast dreimal so viel. Mit 5 m Höhe sind sie deutlich kleiner als die Riesen selbst und immer noch kleiner als das Beispiel in Twietmeyers Artikel. Nicht weniger als 30 (6 m) oder 10 (10 m) Riesen müssten einen solchen Stein anpacken, um ihn zu heben und zu bewegen – wesentlich mehr natürlich, wenn man solche mit durchschnittlicher Körperkraft ansetzen würde. Ohne Hilfsmittel zur Kraftverstärkung wie Seile, Flaschenzüge etc. ist es rein mechanisch undenkbar, dass diese den Stein gemeinsam effektiv packen könnten.
Stonehenge markiert in Sachen Megalithen noch keinesfalls das Ende des Spektrums vorgeschichtlicher Megalithen: Der große Dolmen von Menga (Antequera, Andalusien) wurde einer lokalen Sage nach, die Francisco de Tejada y Nava Anfang des 17. Jahrhunderts in seiner Historia de la ciudad de Antequera aufzeichnete, von „übernatürlichen Wesen“ errichtet.[11] Welcher Art mögen diese gewesen sein? Die 27,50 m lange Grabkammer besitzt vier riesige Decksteine, deren größter mindestens 150 Tonnen wiegt (manche Quellen geben bis zu 250 Tonnen an)[12] – dies entspricht der maximalen Kraft von 90 Riesen von 6 m Größe (oder 32 Riesen á 10 m)!

Grabkammer des Dolmens Cueva de Menga, Andalusien: Die Decksteine wiegen bis zu 150 Tonnen! (Foto LI)

Fazit: Riesengröße allein reicht nicht aus, um effektiv Megalithen zu bewegen. Selbst Riesen von einer Größe, die als biologisch unmöglich gelten muss, könnten keine fünf Tonnen Gewicht stemmen und wären somit unfähig, die Steine vieler Megalithbauten alleine zu tragen. Vielmehr bräuchte es schon bei mittleren Bauwerken wie dem Brutkamp eine Vielzahl von Riesen, die einen solchen Stein jedoch ohne weitere Hilfsmittel kaum gemeinsam anpacken könnten. Gewaltigere Bauwerke wie Stonehenge oder Menga liegen gänzlich außerhalb ihrer Möglichkeiten.

Wie macht man es wirklich?

Diese Berechnungen zeigen nicht, dass hypothetische Riesen nicht in der Lage gewesen wären, megalithische Monumente zu errichten – dies wären sie mit Sicherheit. Vielmehr beweist die Milchmädchenrechnung, dass es selbst Riesen allein mit ihrer bloßen Muskelkraft nicht möglich gewesen wäre. Stattdessen wären sie ebenso wie Menschen auf technische Methoden angewiesen, um den Aufwand zu verringern und die Kraftübertragung zu optimieren: Schlitten und/oder Holzrollen, um Steine mit weitaus weniger beteiligten Arbeitern über Distanzen zu bewegen; Seile, um diese mit mehr Männern zu ziehen, als unmittelbar anpacken könnten; Rampen, um den Stein an einen höher gelegenen Zielpunkt zu befördern; schließlich Kenntnis von Hebelwirkung und anderen physikalischen Kräften, um kraftsparende Bewegungen zu ermöglichen. Wasser konnte genutzt werden, um den Boden vor einem Schlitten zu befeuchten und damit die Reibung zu vermindern, wie es etwa auf einem Relief im Grab des Djehutihotep (Ägypten) zu sehen ist. Die Monumentalstatuen der Osterinsel dagegen dürften mit verhältnismäßig geringem Kraftaufwand in aufrechter Haltung bewegt worden sein, indem man sie mit Seilen abwechselnd an einer Seite anhob und mit kleinen Schritten gewissermaßen „gehen“ ließ. Und nicht zuletzt verfügten viele alte Kulturen – etwa die nordeuropäische Trichterbecherkultur, die unsere heimischen Hünengräber errichtete – tatsächlich über die Hilfe einer anderen Spezies mit übermenschlicher Körperkraft: Die Rede ist von Rindergespannen.         

Relief aus dem Grab des Djehutihotep (12. Dynastie), Deir el Bersha. 172 Arbeiter ziehen eine Statue von ca. 58 Tonnen, andere befeuchten den Boden vor dem Schlitten mit Wasser. (Umzeichnung von Sir John Gardner Wilkinson, Wikimedia Commons)

Dies sind all jene Methoden, die auch die seriöse Wissenschaft für die Errichtung von Megalithmonumenten durch Menschen annimmt. Beispiele aus historischen Zeiten und experimentalarchäologische Versuche wiederum belegen, dass sich mit diesen Methoden tatsächlich große Steine bewegen und Megalithbauten errichten lassen:         
So errichteten Archäologen und Studenten am 14.05.2015 mit prähistorischen Methoden ein Großsteingrab mit zwei Decksteinen von jeweils knapp 5 Tonnen auf dem Campus der Universität Kiel.[13] Ein Ochsengespann wurde zur Anlieferung von Steinen genutzt, jedoch nicht bei der Errichtung selbst eingesetzt.

Rekonstruiertes Ganggrab an der Uni Kiel. Den Deckstein hätte selbst der stärkste Riese nicht anheben können – Studenten mit der richtigen Technik dagegen schafften die Errichtung (Foto LI).

Ein 32 Tonnen schwerer Deckstein wurde in Bougon, Frankreich, bereits 1997 mit wenigen Dutzend Menschen über eine Strecke von 4 km gezogen, nachdem derselbe Versuch bei anderer Technik 1979 noch 200 Helfer erfordert hatte. Und einer der Trilithen von Stonehenge, aus Beton gewichtsgetreu nachgegossen (mit 5 Tonnen schwerem Deckstein), wurde 1990 in der tschechischen Stadt Strakonice durch Einsatz von Seilen und Hebeln (ohne Flaschenzüge) aufgerichtet, wobei zehn Leute drei Tage arbeiteten.[14]        
Dass sich solche Methoden im Ausmaß fast beliebig steigern lassen, beweist der Fall des größten jemals von Menschen bewegten Monolithen: Der Donnerstein, Basis für die bronzene Reiterstatue Zar Peters des Großen auf dem Senatsplatz von St. Petersburg, wiegt nicht weniger als 1.250 Tonnen. Vor der endgültigen Bearbeitung sogar rund 1.500 Tonnen schwer, wurde er 1770 innerhalb von 9 Monaten durch 400 Männer vom 22 Kilometer entfernten Lachta nach St. Petersburg befördert. Dabei kamen zwar Spille zur Konzentration der Kraft, jedoch keine Zugtiere oder Maschinen zum Einsatz.[15]

Es ist bei intelligenter Anwendung einfacher Mittel also auch für Menschen ohne Unterstützung durch moderne Technologie oder übermenschliche Helfer möglich, gewaltige Megalithen zu bewegen. Gesteht man diese einfachen Mittel aber einer „primitiven“ Kultur nicht zu, so wären auch Riesen keine Lösung des Problems gewesen – selbst bei unrealistischer Größe und Trainingsstand hätte deren Kraft für viele bezeugte Megalithen nicht ausgerecht.       

Transport des „Donnersteins“ für das Standbild Peters des Großen 1770. Zeitgenössischer Stich von I. F. Schley nach Y.M. Felten (Wikimedia Commons)

Selbst wenn in der Vorzeit Riesen existiert und bei der Errichtung von Megalithanlagen geholfen hätten, so hätten ihre Arbeitstechniken nichtsdestotrotz dieselben sein müssen wie die unseren. Allenfalls hätten Riesen durch ihre überlegene Kraft die Anzahl der nötigen Arbeiter reduziert. Ökonomischer wäre dies jedoch auch nicht unbedingt, da eine größere Anzahl kleinerer Arbeiter (Menschen) einen effizienteren Energieumsatz besitzt: Ein Mensch ist im Verhältnis zu seiner Körpermasse stärker als ein Riese, zumal er weniger Eigengewicht mit sich herumschleppen muss. Zusätzlich wäre (je nach Kultur) eine Unterstützung durch Rindergespanne denkbar. Die Schlussfolgerung lässt sich also simpel zusammenfassen: Gab es Riesen, hätte man trotzdem Technik gebraucht. Gab es aber Technik, so braucht man keine Riesen mehr. Riesen bieten keine Erklärung und wären somit gemäß Ockhams Rasiermesser aus der Gleichung zu streichen.        
Davon abgesehen krankt die Riesen-Hypothese an einem weiteren Problem: Die ihnen zugeschriebenen Bauwerke sind fast allesamt auf menschliche Proportionen ausgelegt. Das berühmte Löwentor von Mykene wäre mit 3,1 m Höhe nur für kleinere Riesen aufrecht zu durchschreiten. Noch weit niedrigere Durchgänge besitzen die Megalithtempel von Malta, bei denen sich selbst ein normalgroßer Mensch unweigerlich bücken muss. Und will man Dolmen tatsächlich als Gräber von Riesen deuten, so müssten diese doch disartikuliert oder gänzlich skelettiert, bestenfalls zusammengekauert (Hockerstellung) darin bestattet werden – sind doch viele Megalithgräber wie etwa der Brutkamp gar nicht lang genug, als dass sich ein Riese ausgestreckt darin hinlegen könnte, ohne dass seine Füße und Beine herausgucken würden.

Durchgang im Megalithtempel von Mnajdra, Malta. Welcher Riese sollte so etwas bauen? (Foto LI)

Artikel zuerst erschienen 2020 und 2021 unter dem Titel „Steine für Giganten (3/3): Riesen als Megalithbaumeister?“; überarbeitet 2022.


[1] Pausanias 2:25,8. (Beschreibung von Griechenland. Erste Abtheilung, übers. von K. G. Siebelis, Stuttgart 1829.)

[2] Saxo Grammaticus, Gesta Danorum, Vorwort. Zitiert nach Liebers, C. 1986: Neolithische Megalithgräber in Volksglauben und Volksleben. Untersuchung historischer Quellen zur Volksüberlieferung, zum Denkmalschutz und zur Fremdenverkehrswerbung. Artes populares 9, Frankfurt a.M./Bern/New York, 15.

[3] Johan Picardt: Korte Beschryvinge van eenige Vergetene en Verborgene Antiquiteten Der Provintien en Landen gelegen tusschen de Noord-Zee, de Yssel, Emse en Lippe. Tymon Houthaak, Amsterdam 1660, Taf. 33.

[4] Twietmeyer, T. 2008: Riesenmenschen wandelten auf der Erde. Nexus-Magazin 17 (Kopie bei Atlantisforschung.de).

[5] DocCheck Flexikon: Physiologischer Querschnitt (zuletzt bearb. 19.07.2017)

[6] Der Tagesspiegel (24.09.2008): Warum können Ameisen so viel tragen?

[7] Ebd.

[8] Wikipedia.org: Húsafell Stone
YouTube (19.06.2017): Haftor Bjornsson – Húsafell Stone 186 kg x 90 meters (WORLD RECORD)

[9] Reuters.com (02.05.2020): Weightlifting: ‘The Mountain’ Bjornsson deadlifts 501 kg to set world record

[10] Clay Skipper (GQ.com, 26.01.2016): The Mountain from Game of Thrones Explains How He Got So Damn Big

[11] Romero, J. E. M. / Ruiz, J. F. 2009: The Dolmens of Antequera: official guide to the archaeological complex. Official guides. Archaeological sites, Sevilla, 70.

[12] García Sanjuán, J. / Ruiz González, B. (Hg.) 2009: Las grandes piedras de la Prehistoria. Sitios y paisajes megalitos de Andalucía. The large stones of prehistory. Megalithic sites and landscapes in Andalusia, Antequera, 308. Romero/Ruiz 2009, 139 geben 250 Tonnen an.

[13] CAU Kiel (14.05.2015): Baukunst aus der Jungsteinzeit. Experiment gelungen: Die Uni Kiel hat ein Großsteingrab. Pressemeldung Nr. 160/2015.

Kramer, A. 2015: Ganggrab an der Uni Kiel errichtet. Mysteria3000 25.

[14] Uta von Freden / Siegmar von Schnurbein (Hg.): Spuren der Jahrtausende. Archäologie und Geschichte in Deutschland. Theiss, Stuttgart 2002, 142.

[15] de Rochas, A. 1882: Transport du Pedestal de la Statue de Pierre le Grand A Saint-Pétersbourg. La Nature 470, 347–351.