Der geheimnisvolle Bergring in Schweden

Das von Selim Lemström künstlich erzeugte Polarlicht am Pietarintunturi. Lithografie von Ferdinand Tilgmann (1832–1911) (Wikimedia Commons).

Vermutlich hat jeder ein „exotisches“ Lieblingsgeheimnis, selbst wenn er sich sonst eher mit anderen Themen beschäftigt. Bei mir ist das so – interessieren mich eher Seeungeheuer, geht mir der Bergring in Schweden dennoch nicht mehr aus dem Kopf, und das seit Jahrzehnten.
Warum gerade diese eine Meldung in einem Buch, das auf jeder Seite von unerklärlichen Geheimnissen und esoterischen Offenbarungen raunt, mich so sehr gepackt hat und schon so lange interessiert, kann ich kaum sagen. Aber seit vielen Jahren faszinieren mich ein paar wenige Zeilen aus einem der frühesten Prä-Astronautik-Bücher, Robert Charroux’ Erstling Phantastische Vergangenheit.

Der Bericht von Robert Charroux

Der französische Pionier der prä-astronautischen Spekulation listet dort in einer Aufzählung von Rätseln, für die er keine konventionelle wissenschaftliche Erklärung weiß, das folgende Relikt auf:

„Der Metallring von 1000 Fuß [300 m] Umfang, der den Gipfel eines Berges in Schweden umgibt, auf dem eine Vegetation wächst, die von der irdischen gänzlich verschieden ist. (Nicht nachgeprüft.)“[1]

50 Seiten später hakt er – seine eigene Vorsicht völlig vergessend – noch einmal nach:

„Warum wird die Öffentlichkeit nicht davon unterrichtet, daß sich oben auf einem hohen Berg in Schweden ein metallischer, im Durchmesser 1003 Fuß messender Ring befindet, in dessen Innern eine Vegetation gedeiht, die von der auf der Erde gänzlich verschieden ist?“[2]

Mit diesen Angaben beginnen bereits die Probleme. Beträgt nun der Umfang oder der Durchmesser 1000 Fuß? Und dann 1000 oder 1003 Fuß [man beachte die ungewöhnliche Exaktheit!]? Wo genau in Schweden befindet sich dieser Ring? Und welche Quelle stand Charroux zur Verfügung? Er spricht leider nur vage (und dann auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang) davon, seine Quelle sei „eine amerikanische Zeitschrift“, das aber hilft nicht weiter. Immerhin befindet sich die zweite Erwähnung des Rings in einem Kapitel, das offensichtlich aus der amerikanischen UFO-Literatur zitiert.   
Eine Durchsicht weiterer prä-astronautischer Klassiker, Dopatka, Kolosimo, Kohlenberg und Steinhäuser fand keine zusätzliche Erwähnung des Phänomens. Das erstaunt zumindest, denn immerhin handelt es sich um ein konkretes Objekt, das sich leicht finden und dann auch untersuchen lassen sollte.
Über diesen ersten Stand meiner Recherche schrieb ich einen kurzen Artikel für das UFO- und Prä-Astronautik-Magazin Sign (Nr. 21, 1991), allerdings ohne je eine Reaktion auf meine Anfrage nach weiterer Information zu erhalten. Offenbar wusste niemand mehr als Charroux.

Was Walter Ernsting schreibt

Endlich stieß ich auf eine mögliche zweite Erwähnung des Objektes, allerdings in Finnland lokalisiert und in einem fiktiven Kontext, nämlich in Walter Ernstings Science-Fiction-Roman Der Tag, an dem die Götter starben. Dort beschreibt er einen merkwürdig abgerundeten Gipfel 30 km östlich der Tana, des Grenzflusses zwischen Norwegen und Finnland.[3] 
In dem Roman erzählt Ernsting von seinen Weltkriegserfahrungen in Norwegen. Ob es sich um eine Fiktion handelt oder um eigene, fiktional veränderte Erlebnisse, das wird nicht eindeutig. 1942 fliegt er von Banak am Ende des Porsangerfjord am Nordkap entlang der Straße nach Karasjok, dann nach Osten bis zum Fluss Tana.

„Nur im Osten sah ich eine Bergkuppe, meiner Schätzung nach fast dreißig Kilometer entfernt, also schon auf finnischem Gebiet. (…) Es war schon später Nachmittag, und die Sonne stand im Westen. (…) Die Kuppe glühte auf, als bestünde sie aus purem Gold. (… Es war) ein merkwürdig abgerundeter Gipfel, fast wie der obere Teil einer im Fels versenkten Halbkugel.“

Am nächsten Tag bricht er auf eigene Faust zu dem angeblich verhexten Berg auf (S. 150-158). Zuerst fliegt er nach Karasjok, von dort geht es mit dem Schlauchboot 50 km den Tanaelv abwärts. Dort mündet ein namenloser Bach von Osten, aus Finnland, ein. Diesen Bach 30 km stromaufwärts liegt der mysteriöse Gipfel, an dem Ernsting auf einen „Schneemenschen“ sowie auf eine unsichtbare Mauer trifft.   
Im Jahre 1970 sucht er dieses Ziel erneut auf (S. 158 ff.). Von Karigasniemi geht es die Straße nach Utsjoki, bis zu einem Ort, an dem diese auf die Straße von Utsjoki nach Kaamanen einmündet (das wäre allerdings Utsjoki selbst). Von da ist links der Berg zu sehen, ein schnurgerader Feldweg führt zum 12 km entfernten Gipfel. Auf dem nur rund 350 m hohen, namenlosen Berg trifft Ernsting dann auf Außerirdische, die unser Geschick seit Jahrzehntausenden lenken.     
Obwohl manche Anhänger der Paläo-SETI nach wie vor vom Gegenteil überzeugt sind, ist Ernstings Geschichte eine Fiktion, ein Roman. Das geht aus der autorisierten Biografie hervor[4], aber auch aus Aussagen der von mir befragten Autoren und Redakteure, die ihn gut gekannt und mit ihm über das Buch gesprochen haben. Eine Google-Earth-Expedition in das beschriebene Gebiet zeigt zwar ein umfangreiches, zerschrundenes und nacktes Felsplateau, das von Gletschern glattgeschliffen wurde (ganz so, wie es Ernsting beschreibt), aber keinen Ring und keine außerirdische Bodenstation.
Natürlich kann Ernsting Quellen in seine Geschichte hineingearbeitet haben, die ich nicht kenne, und die Genaueres über den „Bergring“ berichten. Oder aber die Parallelität zwischen seinem Roman und Charroux’ Behauptung sind nur ein Zufallsergebnis. Als Hinweis auf die Existenz des Rings lässt sich der Roman leider nicht verwerten, auch wenn die Vermutung durchaus berechtigt ist, dass Ernsting eine Quelle dafür verwendet hat, die noch nicht gefunden worden ist.

Die Ansicht skandinavischer UFO-Forscher

Ein Versuch, mehr über das Rätsel – oder vermeintliche Rätsel – zu erfahren, bestand darin, alle mir bekannten in Skandinavien ansässigen UFO-Forscher zu kontaktieren. Als erstes antwortete mir der Norweger Ole Jonny Brænne am 19. Juli 2011: „Ich habe keine Ahnung. Ich habe davon noch nie gehört, aber ich habe auch Charroux’ Buch nicht gelesen.“       
Der schwedische UFO-Forscher Clas Svahn meinte am 19. Juli 2011: „Ich habe noch nie von solch einem ‚Ring‘ gehört. Und ich zweifle ernsthaft daran, dass es ihn gibt oder je gab.“ Und am 21. Juli 2011 fügte er hinzu: „Ja, das klingt wie etwas, das sich jemand ausgedacht hat, der nicht in Schweden lebt. Jemand, für den Schweden exotisch genug ist, dass ein ausländischer Leser diese Geschichte für wahr hält.“      
Anders Liljegren aus Schweden antwortete am 25. Juli 2011: „Auch ich habe davon noch nie etwas gehört. Noch nie davon gehört oder darüber gelesen.“        
Diese Urteile sagen natürlich nichts über den Wert oder Unwert der Geschichte aus, aber sie zeigen, dass das von Charroux geschilderte Phänomen in seiner Heimat nicht (oder zumindest praktisch nicht) bekannt ist. Bei einer Anlage, die archäologische und botanische Absonderlichkeiten birgt (oder der diese nur zugeschrieben werden), sollte man zumindest annehmen, dass sie den spezialisierten Forschern schon einmal untergekommen ist.      
So endet diese Untersuchung eines potenziell interessanten Artefakts in einer Sackgasse, bis neue – vor allem aber präzise – Informationen auftauchen.

Endlich – die Quelle

Es gab, auch nach meinen Anfragen in Schweden und Norwegen, stetig neue Spuren. So erwähnte auch der Sensationsautor Peter Kolosimo[5] den Ring (nach der Quelle Charroux), er hielt die Geschichte aber für eine Erfindung, weil er auf einer Reise nach Schweden keine weiteren Informationen dazu sammeln konnte.          
Erst Jahre später entdeckte ich zufällig die Urquelle all dieser Darstellungen. Es war die amerikanische grenzwissenschaftliche Zeitschrift Fate.[6] Sie brachte dieselben Details wie Charroux, fügte aber an, ihr Leser „Leadabrand“ habe die Geschichte von einem Bekannten gehört. Fate kommentierte: „Das klingt wie ein Märchen. Falls es aber stimmt, erzeugt keine Sense der Welt, die es je gab oder geben wird, einen solchen Ring.“ Somit brachte auch der Fund der Quelle, auf die sich alle anderen beriefen, keine zusätzliche Klarheit. 
Der „Ring“ mag eine reine Erfindung sein oder die Fehldeutung von etwas ganz anderem oder ein wahrhaft prä-astronautisches Artefakt. Nur zusätzliche Recherchen können das zeigen.

Zwei mögliche Hinweise

Eine meiner Erfahrungen ist die, dass manche sehr geheimnisvoll wirkenden Berichte auf das Phänomen der „stillen Post“ zurückzuführen sind – jemand erwähnt in einem Buch eine kuriose Sache, jemand anderer führt das in seinem Buch an, das Ganze geht über mehrere Sprachen hinweg, und zum Schluss erkennt man den ursprünglichen Bericht nicht mehr. Zwei Verweise auf „Kreise“ in skandinavischen Bergen habe ich gefunden, die vielleicht – so betrachtet – das sein könnten, wovon Charroux berichtet.

In den 1880er-Jahren umgab Professor Selim Lemström einen Berg in Lappland mit Meilen aus Draht, die er in Spiralform um den Gipfel zog. Der Draht war mit nach oben zeigenden Messingspitzen versehen und wurde isoliert und 150 m tiefer auf dem Berg „geerdet“. Von den Spitzen zum unteren Ende lief stetig Strom. Bei starker Nordlichtaktivität leuchtete daraufhin der Berg auf: Eine Lichtsäule erhob sich senkrecht vom Gipfel, ein weißer Regenbogen erschien über der Bergflanke.[7]      
Lemström selbst schreibt: „Bei der finnischen internationalen Polarexpedition wurden Versuche auf Bergspitzen ausgeführt und Nordlichtstrahlen, sowie Lichtphänomene von der Natur des Polarlichts künstlich hervorgebracht. Hierdurch erhielt die Auffassung eine Stütze, die die Ursache des Polarlichts in den elektrischen Strömen der Atmosphäre sucht. … Weil die Versuche in finnisch Lappland angestellt wurden, so kann daraus streng genommen, kein Schluss für andere Gegenden gezogen werden.“[8]
Die Experimente dauerten von 1881–1882, der erste Versuch fand am 29. Dezember 1882 statt, der betreffende Berg war der Pietarintunturi, rund 40 Meilen von Sodankylä in Finnland entfernt, etwa 100 km südlich der von Ernsting angeführten Region und weitab von Schweden.[9] Da bereits am ersten Tag durch den Apparat ein Nordlicht entstand, führt Paul Devereux Professor Lemströms Experiment in einem seiner UFO-Bücher an.[10] Könnte ein ähnliches Zitat in der UFO-Literatur der 1950er-Jahre, das Lappland, eine Spirale bzw. einen Ring aus Metall und seltsame Lichterscheinungen erwähnte, die Grundlage für die Hörensagen-Meldung in Fate gewesen sein?

Der Anomalist Ivan T. Sanderson, ebenfalls ein Pionier der Prä-Astronautik, erwähnt in einem seiner Bücher eine geologische Anomalie in Norwegen, allerdings so unspezifisch und aus frühester Erinnerung, dass man ihr kaum noch nachgehen kann. Nur: Wieder ist von einer ringartigen Struktur mit anomalen Eigenschaften, dieses Mal im mittleren und nördlichen Norwegen die Rede:

„Es gibt mehrere Orte auf der Erde, an denen sich die Gravitation sich nicht so verhält, wie wir es erwarten würden. […] Das sind Orte, an denen die Kiesel nicht auf dem Boden zu liegen oder von der Erdanziehungskraft erfasst zu werden scheinen.      
Einer davon befindet sich in einer glazialen Karmulde [im Original. glacial cirque] am Kopf entweder des Songe- [=Sogne] oder des Nordfjordes in Norwegen. Mein Großvater, der im Steinbruch arbeitete und sich mit Geologie beschäftigte, zeigte mir den Platz, als ich etwa sechs Jahre alt war.“[11]

Ein vergleichbares Objekt?

Lässt sich das Rätsel vorläufig nicht lösen, könnte man zumindest nach ähnlichen Strukturen in anderen Teilen der Welt fahnden. In einem seiner Bücher erwähnt Jacques Bergier[12] das Tagebuch des Forschers Louis Claude de Freycinet auf dem französischen Schiff Uranie, der 1819 in Tinian auf eine kreisrunde Fläche „mit ungewöhnlichen Gewächsen“ gestoßen sein will, die von zwei Reihen Säulen umgeben war, und um die rings umher üppiger Urwald wuchs – eine Art Schwedischer Bergring in der Südsee? Die Wahrheit ist in diesem Falle einfacher, denn Bergiers Quelle lautet weitaus nüchterner, als er denken lässt. Jacques Arago schreibt:

„Als ich von der Quelle zurückkehrte, skizzierte ich die Ruinen einiger antiker Bauwerke. Über den Zeitpunkt ihrer Begründung vermag man keine genauen Nachrichten zu geben. Sie liegen an einem Berghange. Trümmer von Säulen von drei Fuß im Durchmesser [90 cm] liegen noch immer aufrecht auf der Erde, die um sie herum angehäuft wurde. Sie bildeten mit Sicherheit nur ein einziges, kreisförmiges Gebäude von mehr als 800 Schritten im Umfang. Vergebens hielt ich nach nur einem Splitter einer Skulptur Ausschau. Das Innere des Kreises ist nun von Unkraut überwuchert und mit kleinen Felsstücken bedeckt. Ich fragte Kapitän Martinez nach seiner Meinung zu diesem ungewöhnlichen Gebäude. Er erklärte mir, er wisse auch nicht mehr als die anderen Einwohner, die es das Haus der Alten nannten. Es wurde wohl durch eines der in diesem Archipel häufigen Erdbeben zerstört.“[13]

Es handelt sich um eine mittlerweile gut erforschte, gigantische Ruine von Häusern der Einwohner Guams.[14]

Dieser Artikel erschien bereits in einer früheren Fassung bei Mysteria3000.de.


[1] Charroux, R. 1990: Phantastische Vergangenheit, Berlin, 159.

[2] Ebd., 208.

[3] Ernsting, W. 1996: Der Tag, an dem die Götter starben, in: C. Dalton, Werkausgabe 11, Rastatt, 147–150.

[4] Langhans, H. 2000: Clark Darlton. Der Mann, der die Zukunft brachte, Rastatt, 149–1544.

[5] Kolosimo, P. 1971: Schatten auf den Sternen, Wiesbaden, 406.

[6] Fate, vol. 10, Heft 6, Juni 19547, ich zitiere nach einem Abdruck in Flying Snake 19, Februar 2021, 82.

[7] Corliss, W. 1977: Handbook of Unusual Natural Phenomena, Glen Arm.

[8] Lemström, K. S. 1902: Elektrokultur: Erhöhung der Ernteerträge aller Kulturpflanzen durch elektrische Behandlung, Berlin.

[9] Seargent, D. A. J. 2012: Weird Weather: Tales of Astronomical and Atmospheric Anomalies, New York/Dordrecht/Heidelberg/London, 132.

[10] Devereux, P. 1989: Earth Lights Revelation, London, 153.

[11] Sanderson, I. T. 1967: Things. Pyramid 1967, 151.

[12] Bergier, J. 1978: El libro de lo inexplicable, Barcelona, 82.

[13] Arago, J. 1823: Narrative of a voyage round the world, in the Uranie and Physicienne corvettes, commanded by Captain Freycinet, during the years 1817, 1818, 1819, and 1820, Treuttal, 277–278.

[14] Villaverde, R.: From the Ancient Past: The Latte Stones of Guam.