Die etwas anderen Goldflieger aus Südamerika

Präkolumbischer „Goldflieger“ im Ethnologischen Museum, Humboldt Forum Berlin (Foto LI).

Viel ist bereits über die sogenannten Goldflieger geschrieben worden, angeblich vorkolumbianische Darstellungen von Düsenjägern (am ausführlichsten und verständlichsten von Sanderson 1972: 147–164). Allerdings sind diese Schmuckstücke nach wie vor eine Frage konkurrierender Interpretationen. Die Vorstellung, diese Goldflieger stellten Flugmaschinen dar, findet sich nur in der alternativen Archäologie bei Atlantis- und Lost-Civilisation-Autoren und Vertretern der Prä-Astronautik. Archäologen bevorzugen eine Deutung als abstrakte, theriomorphe Darstellungen.           
Archäologen kennen allerdings tatsächlich goldene Fluggeräte aus dem präkolumbianischen Peru, die Goldschmetterlinge der Mochica- oder Moche-Kultur im Norden Perus (ca. 1. bis 8. Jh. n. Chr.).          
Ich stieß zum ersten Mal auf diese Fluggeräte in einem populärwissenschaftlichen Buch des Altamerikanisten Miloslav Stingl (1990: 148). In dem Buch, dessen Erstveröffentlichung in Prag 1979 erfolgte, erfahren wir, dass „vor weniger als 100 Jahren“, also wohl in der Zeit um 1880, ein hochrangiger peruanischer Militär, Oberst La Rosa, einen altperuanischen Goldschatz gefunden habe. Die Entdeckung wird in Zusammenhang mit der Darstellung der Mochica erwähnt. Gemeinsam mit vielen anderen Objekten, darunter der kleinen goldenen Figur eines Jungen, der in einem goldenen Schlafnetz lag, und Statuen von Holzfällern und Algarrobobäume aus Gold seien darunter auch mehr als 5000 goldene Schmetterlinge gewesen – jeder davon habe anders ausgesehen: „Und weil es Schmetterlinge waren, konnten sie sogar fliegen. Obwohl sie aus Metall waren, konnten diese wunderschönen indianischen Spielzeugfigürchen durch die Luft segeln. Sie waren so hauchdünn – ein jeder wog weniger als ein Gramm –, daß man nur ein wenig zu pusten brauchte, und schon flatterten sie in die Höhe.“ Leider hat keines dieser Objekte überlebt – La Rosa ließ sie alle einschmelzen.    
Erstaunlicherweise sind weitere Informationen zu diesen wirklichen Goldfliegern rar. Stingl gibt keine Quellen an. Nur wenige zusätzliche Informationen findet man in der Fachliteratur. Séjourné (1987: 226) erwähnt die Goldschmetterlinge im 21. Band einer Universalgeschichte des spanischsprachigen Raums bei einer Diskussion des Schmetterlingsmotivs bei vielen altamerikanischen Kulturen, u. a. in Tiwanaku und Nazca. „In einem Buch über das Gold Perus erzählt Porras Barrenechea, ein gewisser Colonel La Rosa habe 5000 Schmetterlinge im Sonnentempel von Moche entdeckt, Schmetterlinge, die er, wie er gegenüber dem Reisenden und Archäologen Wiener zugab, eingeschmolzen habe. Es ist vielleicht von Bedeutung, dass auch hier das Abbild der Verstorbenen in den Gräbern eine Stilisierung des Schmetterlings war.“
Der peruanische Historiker Raúl Porras Barrenechea (* 23. März 1897, Pisco; † 27. September 1960, Lima) hat eine Vielzahl Bücher geschrieben. In einer Zusammenfassung seiner Arbeiten (Porras Barrenechea 1999: LXXXVI) fand ich die betreffende Stelle, die aber wenig mehr verrät als das von Stingl bereits Gesagte. Der Peruaner erwähnt „jenen pragmatischen Oberst La Rosa, der mit dem Reisenden Squier seine archäologischen Trophäen aufteilte und der Wiener bekannte, er habe mehr als fünftausend, kaum ein Milligramm dicke Goldschmetterlinge eingeschmolzen, schöne Spielzeuge mit filigranen Flügeln, die mit Leichtigkeit in die Luft geworfen werden konnten und dort flatterten, um fröhlich die Schwerkraft zu überwinden, bis sie zu Boden fielen.“           
Der amerikanische Archäologe Ephraim George Squier hielt sich von 1863 bis 1864 in Peru auf und erwähnt im siebten Kapitel seines Buchs über seine Forschungsreisen ausführlich den Oberst, nicht aber die Goldflieger. (Squier 1877: 115 ff.) Der Österreicher Charles Wiener führte im Auftrag der französischen Regierung von 1875 bis 1877 archäologische Untersuchungen in Peru und Bolivien durch. Darüber berichtet er in seinem Buch Perou et Bolivie (Paris, 1880), das ich noch nicht einsehen konnte. Die Entdeckung der Schmetterlinge wird um diese Zeit liegen, weil Squier sie noch nicht erwähnt hat.        
Entweder dieselbe oder eine vergleichbare Entdeckung schildert auch ein Autor in der Zeitschrift Westermann’s Hefte (1960: 29) in einem Bericht über indianische, vor allem aber inkaische Goldarbeiten: „Seit den Tagen von Atahualpas Ende raunt man von vergrabenen Schätzen, denn auf die Nachricht von des Inkas Tod vergrub mancher Häuptling oder Priester die Schätze des Sonnensohnes. Vieles fanden die vordringenden Spanier, noch mehr haben in eifriger jahrhundertelanger Arbeit die indianischen ‚Huaqueros‘, die überall gefürchteten Grabräuber, ans Tageslicht gebracht, um es ebenfalls eiligst einzuschmelzen. Es ist noch nicht lange her, daß auch die Huaqueros herausfanden, wieviel mehr Geld eine nicht eingeschmolzene Kette ihnen brachte. Aus dem 18. Jahrhundert ist ein großartiger Fund bekannt: man grub an die zweitausend goldene Schmetterlinge aus, jeder leicht wie eine Feder und überaus kunstvoll gearbeitet. Solch zierliche Schmetterlinge zierten nach alten Chroniken die Gärten der Inkaherrscher. Man konnte die hauchdünnen Schmetterlinge in die Luft werfen, und dann schwebten sie mit ausgebreiteten Flügeln zur Erde.“      
Es ist anzunehmen, dass sich dieser Abschnitt trotz der abweichenden Zahl von Goldfliegern und der Zuordnung zum Inka- statt zum Moche-Reich auf dieselbe Entdeckung bezieht.

Quellen

Porras Barrenechea, R. 1999: El legado quechua: indagaciones peruanas, o.O.

Sanderson, I. T. 1972: Investigating the Unexplained, Englewood Cliffs.

Séjourné, L. 1987: América latina. Antiguas culturas precolombinas. Siglo XXI de Espana 21, Madrid.

Squier, E. G. 1877: Peru; incidents of travel and exploration in the land of the Incas, New York.

Stingl, M. 1990: Auf den Spuren der ältesten Reiche Perus, Leipzig.