Die Steinreihen von Kounov –
Alignements in Tschechien?

Abb. 1 Steine über Steine – die Steinreihen von Menec in der französischen Bretagne (Foto: André Kramer)

Zur Einleitung – über das Aufreihen von Steinen in alten Kulturen

Zu den spektakulärsten Anlagen der europäischen Megalithkulturen des Neolithikums gehören die so genannten Alignements. Hierbei handelt es sich um in Reihen angelegte Menhire, die in Extremfällen Essembles aus tausenden von Steinen bilden können.         
Berühmt sind hier vor allem die Alignements der französischen Bretagne in Carnac, die im mittleren Neolithikum zwischen 4000 und 3000 v. Chr. errichtet wurden.[1] Drei dieser Steinreihen folgen hier in nur wenigen hundert Metern Abstand und werden jährlich von tausenden Touristen besucht.
Die Steinreihen von Menec ziehen sich in 11 Reihen über eine Distanz von 1167 Metern durch die Landschaft und bestehen aus 1169 noch vorhandenen Steinen. Es folgen die Steinreihen von Kermario über 1120 Meter in 10 Reihen und bestehend aus 1029 Menhiren sowiejene von Kerlescan, immerhin noch 880 Meter lang, in 13 Reihen mit einer Gesamtzahl von Menhiren in Höhe von 594 Steinen.[2]

Der Eindruck gewaltiger Armeen marschierender Soldaten findet auch im Volksglauben der Region ihren Ausdruck: So erzählte man sich, bei den Steinreihen von Carnac handle es sich um eine versteinerte römische Armee. Als Strafe für die Verfolgung des von den Bretonen hoch verehrten St. Cornely seien diese Truppen in Stein verwandelt worden.[3]    
Doch auch an anderen Orten tauchen ähnliche Steinreihen auf, wenn auch von bescheideneren Ausmaßen. Die Mittelmeerinsel Korsika verfügte ebenfalls über eine Megalithkultur mit diversen Bauformen, darunter Steinreihen, wie etwa die Alignements von d’i Stantari im Südwesten der Insel. Auffallend ist hier, dass auch bei den Steinreihen der konsequente Sonderweg der korsischen Megalithkultur hin zu Menhirstatuen sichtbar wird.

Abb. 2 Die Steinreihen von d’i Stantari auf Korsika. Einige der Menhire zeigen deutlich anthropomorphe Züge und werden deshalb als Menhirstatuen bezeichnet (Foto: André Kramer)

Im so genannten Megalithikum II (2500–1800 v. Chr.) tauchen die Alignements von Korsika auf,[4] von denen etwa 20 auf der Insel existieren. Mit 258 Menhiren in Doppelreihen ist das Alignement von Palaggiu die größte bekannte Formation auf Korsika.[5]    
Aufgrund des wilden Pflanzenwuchses und des Umstandes, dass die Menhire inzwischen zum Teil gekippt sind, ist vor Ort kaum ein Gesamtüberblick möglich.

Abb. 3 Die ausgedehnten Steinreihen von Palaggiu auf Korsika verschwinden an vielen Stellen im wilden Bewuchs (Foto: André Kramer)

Selbst in der Eisenzeit kam es zuweilen noch dazu, dass Steinreihen angelegt wurden. Ein Beispiel hierfür finden wir auf dem Gräberfeld von Stenehed in Schweden, das um 400 bis 600 n. Chr. entstand. Neben weiteren Grabmonumenten und einem Steinkreis (Domarring oder Richterplatz), finden sich hier eine Reihe von 9, ehemals sogar 12 Menhiren (in Schweden Bautasteine genannt), die von Norden nach Süden an Höhe gewinnen. So misst der nördliche Stein etwa 1,40 Meter an Höhe, der südlichste Stein ganze 3,30 Meter.

Abb. 4 Die eisenzeitliche Steinreihe auf dem Gräberfeld von Stenehed in Schweden (Foto: André Kramer)

Auch der Blick über den Kontinent hinaus zeigt, dass das Phänomen, Steindenkmäler in Reihen anzulegen, bei vielen Völkern und Kulturen anzutreffen ist.          
Auf der westlich von Australien gelegenen Insel Neukaledonien wurden Steinreihen angelegt, die große Ähnlichkeiten mit jenen der Bretagne haben. Eines dieser Alignements besteht aus 45, ein anderes sogar aus 142 Steinen. Es handelt sich in diesem Fall um Gedenksteine für erschlagene Feinde.[6]   
Costa Rica in Mittelamerika ist heute vor allem für seine atemberaubende ökologische Vielfalt, seine undurchdringlichen Regenwälder und die Strände sowohl an der Pazifik-, als auch an der Karibikküste bekannt.           
Archäologisch Interessierte erinnern sich womöglich aber auch an die unzähligen Steinkugeln, die überall im Land entdeckt wurden, mit einer Häufung im Süden des Landes. Viele dieser Steinkugeln, die manchmal Fußballgröße haben, in Extremfällen aber auch einen Durchmesser von 2,66 Meter erreichen, befinden sich heute als Dekostücke auf privaten Grundstücken und als Exponate im Nationalmuseum von San José. Eine Datierung der Steinkugeln selbst ist kaum möglich, doch die Fundkontexte und stratigraphische Abgleiche weisen darauf hin, dass sie sowohl von der Aguas Buneas B-Kultur (300/400–700/800 n. Chr.) und Chiriqui-Kultur (700/800–1550 n. Chr.) angelegt wurden.[7] Eine Randbemerkung nur: Entgegen den Behauptungen, die zuweilen in der alternativ-archäologischen Literatur aufgestellt werden, handelt es sich übrigens nicht um perfekt geometrische Kugeln, wie sich leicht zeigen lässt. Ein solcher Eindruck entsteht nur zuweilen aus der Perspektive des Betrachters heraus.

Abb. 5 Der Verfasser neben einer der Steinkugeln von Costa Rica im Nationalmuseum in San José. Deutlich zu erkennen ist, dass es sich nicht um eine geometrisch perfekte Kugel handelt (Foto: André Kramer)

In unserem Kontext ist interessant, dass, analog zum Menhir, diese Steinkugeln sowohl alleinliegend als auch in Reihen (und Dreiecken) angeordnet gefunden wurden, so zum Beispiel im Puerto Cortés Distrikt im Südwesten des Landes. Hier gruppierten sich Steinkugeln rund um Mounds. Bei Mounds handelt es sich um künstliche Hügel, die in verschiedenen Regionen des amerikanischen Kontinents zu finden sind. In Costa Rica handelte es sich hierbei vor allem um die Grundsubstanz von Wohngebäuden. Berühmt ist hier das National Monument Guayabo, eine 217 Hektar umfassende Siedlungsfläche aus der Zeit um 1000 bis 1400 n. Chr.

Abb. 6 Mound am Zentralmonument von Guayabo in Costa Rica (Foto: André Kramer)
Steinkugelreihe im Nationalmuseum in San José (Foto: André Kramer)

Über die Steinkugel-Alignements aus dem Distrikt Puerto Cortés schreibt Doris Stone:

„The largest mound is approximately 40 meters in circumference, with an encircling ring of rocks keep the earth in place. There are fourteen stone balls associated with this mound. Eight of these were in a line on the south side oft the mound…“[8]

Eine andere Steinkugelreihe besteht aus 10 Kugeln, die eine leichte Kurve machen, wobei die dritte Kugel, von Norden aus gezählt, außerhalb der Reihe lag.[9]        
Im Nationalmuseum in San José wird eine dieser Steinkugelreihen in originaler Formation ausgestellt.

Obwohl das Anlegen von Alignements in Europa und darüber hinaus also ein häufiges Phänomen darstellt (über dessen Zweck wir am Ende nicht viel wissen, und dem möglicherweise auch kulturspezifisch unterschiedliche Motive zugrunde liegen), verwundert jedoch der Fund eines Alignements in Tschechien und stellt dort ein absolutes Novum dar.

Die Steinreihen von Kounov – ein unerwartetes archäologisches Rätsel

Abb. 8 Der versteinerte Hirte in Klobuky in Tschechien (Foto: André Kramer)

Tschechien besitzt keine megalithische Bautradition mit Ausnahme vereinzelter Menhire, die aber als aus keltischer Zeit stammend angenommen werden. Ein Beispiel hierfür ist der so genannte „versteinerte Hirte“ in Klobuky, ein etwa 2,50 Meter hoher Sandstein-Menhir.     
Überraschend ist es also, wenn man plötzlich von einer komplexen Alignement-Struktur in Tschechien erfährt: Den Steinreihen von Kounov.          
Gelegen in einem Waldgebiet nahe der Ortschaft Kounov im Nordwesten des Landes findet sich hier ein interessantes steinernes Rätsel.

Abb. 9 Blick eine der Steinreihen von Kounov entlang (Foto: André Kramer)

In 14 Reihen von bis zu 400 Meter Länge liegen hier mehrere tausend Steinblöcke in Nord-Süd-Richtung im Waldboden angelegt. Etwas aus der Formation herausgehoben befinden sich die beiden größten Steine nordöstlich und südwestlich der Reihen und werden als Gibon (Gibbon) und Pegas (Pegasus) bezeichnet. Diese Bezeichnungen finden ihren Ursprung in dem englischen Historiker Edward Gibbon und in dem Sternbild Pegasus, da einige Rillen auf dem entsprechenden Stein hieran erinnern sollen.[10] Wer diese Steinreihen wann anlegte, ist bis heute höchst umstritten. Aufgrund der Sprachbarriere sind verwertbare Informationen für mich jedoch rar gesät.        
Es war der Lehrer Antonin Patejdl, der 1934 erstmal auch öffentlich auf die Steinreihen von Kounov aufmerksam machte. Der lokalen Bevölkerung werden sie mit großer Sicherheit bereits bekannt gewesen sein.
Patejdl veröffentlichte verschiedene Artikel zum Thema, in denen er zum Beispiel darauf hinwies, dass in der Nahumgebung keine archäologischen Funde gemacht wurden, die eine kulturelle Zuordnung der Steinreihen ermöglichen würden.[11]

Seit dem Bekanntwerden der Steinreihen von Kounov ist es offenbar zum Verlust eines Teils der zugehörigen Steine gekommen. Während Patejdl noch 2200 Findlinge zählte, kommen aktuelle Zählungen nur noch auf 1500 bis 1700 Steine.[12]         
V-förmige Rillen, die angeblich künstlich in die Steine geritzt wurden und in Richtung der Sonne während der Sonnenwenden weisen würden,[13] erscheinen dem Verfasser als hoch spekulativ. Aufgrund der unbekannten zeitlichen Einordnung der Steinreihen lässt sich auch kaum einschätzen, ob zur Zeit der Anlegung von diesen überhaupt ein freies Sichtfeld herrschte, um eine etwaige astronomische Ausrichtung nach den Sonnenwenden sinnvoll zu machen. Die besagten Ritzzeichnungen (Petroglyphen) konnten vom Verfasser nicht entdeckt werden und so steht sicherlich auch die Vermutung im Raum, dass es sich hier um Erosionsprodukte handeln könnte.           
Die Baumbestände erschweren vor Ort einen Gesamtüberblick über die Steinreihen, doch wurden diese vollständig kartiert, sodass eine schematische Ansicht möglich ist.

Abb. 10 Die Rillen auf dem als Gibbon bezeichneten Stein erscheinen eher wie Erosionsprodukte als künstlich eingeritzt. (Foto: André Kramer)

Thesen zur Einordnung der Steinreihen von Kounov wurden offenbar viele aufgestellt. Eine unbelegte Zuordnung zu den Kelten steht ebenso im Raum wie die hochspekulative Annahme, die Steinreihen seien als Zeichen für Außerirdische angelegt worden.[14]

Herkunft und Alter der Steinreihen von Kounov bleiben also weiter unbestimmt. Eine Nähe zu neolithischen Alignements scheint nicht gegeben, zum einen aufgrund des Erscheinungsbildes der Steinreihen selbst, bei denen es sich nicht um klassische Menhire handelt, zum anderen aufgrund des Umstandes, dass Tschechien weit außerhalb des Verbreitungsgebiets der Alignements des westeuropäischen Megalithzeitalters liegt.           
Interessant wäre eine Aufarbeitung der tschechischen Veröffentlichungen über diese faszinierenden Steinreihen in englischer oder deutscher Sprache, um den Forschungsstand auch über die tschechischen Landesgrenzen hinaus zu kommunizieren.

Abb. 11 Die Steinreihen von Kounov in der Draufsicht (Grafik: André Kramer nach Darstellung im Kounov Informationscenter)

Quellen

Briard, J. 2009: Die Megalithen der Bretagne, Frankreich.

Giot, P.-R. 2009: Menhire und Dolmen. Megalithdenkmäler in der Bretagne, Février.

Grosjean, R. 1964: Die Megalithkultur von Korsika. Umschau in Wissenschaft und Technik 13, 403–407.

Hammerich-Maier, M. 2022: Die magischen Steinreihen von Kounov. Radio Prague International (gesichtet am 27.01.2022).

Heine-Geldern, R. 1928: Die Megalithen Südostasiens und ihre Bedeutung für die Klärung der Megalithfrage in Europa und Polynesien. Anthropos: Internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachkunde 23, 276–315.

Quintanilla, J. / Ifigenia, M. 2007: Pre-Columbian Spheres of Costa Rica, San José.

Reden, S. von 1978: Die Megalith-Kulturen. Zeugnisse einer verschollenen Urkultur. Überarbeitete & veränderte Neuauflage, Köln.

Stone, D. 1943: A preliminary investigation of the flood plain of the Rio Grande de Térraba, Costa Rica. American Antiquity 9/1, 74–88.


[1] Vgl. Briard 2009, 17.

[2] Vgl. Giot 2009, 7.

[3] Vgl. Reden 1978, 235.

[4] Vgl. Grosjean 1964, 403 f.

[5] Vgl. Reden 1978, 175 f.

[6] Vgl. Heine-Geldern 1928, 303.

[7] Vgl. Quintanilla; Ifigenia 2007, 66.

[8] Stone 1943, 78.

[9] Vgl. a. a. O., 79.

[10] Vgl. Hammerich-Maier 2010.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. ebd.

[13] Vgl. ebd.

[14] Vgl. ebd.