Nazca – Ein Flughafen der Götter?
Nazca-Linien: „Kolibri“ und „Landebahnen“ (Bild von sgrunden, Pixabay)
Nazca ist mit dem Verstand nicht zu fassen – mehrere hundert Quadratkilometer ziehen sich in der peruanischen Wüste kerzengerade Linien über Berggrate und Steilhänge, über tief eingeschnittene ausgetrocknete Flusstäler hin. Ein Spinnennetz ohne scheinbare Ordnung, nur unterbrochen von kilometerlangen trapezförmigen Flächen und gigantischen Tierfiguren.
Wir können verstehen, warum man die Pyramiden Ägyptens baute, den Petersdom in Rom oder die Chinesische Mauer – als Grabstätten für die Ewigkeit, zum Ruhme eines Gottes oder als Schutz vor Feinden –, aber aus welchem Grund Indios, die noch in der Steinzeit lebten, in der sengende Hitze der Wüste kilometerlange gerade Linien anlegten, indem sie das von Wüstenpatina überzogene Gestein auflasen, um den helleren Boden darunter zum Vorschein kommen zu lassen, warum sie auf die gleiche Art und Weise große Flächen säuberten, wenn all das – so scheint es – nur vom Flugzeug aus sichtbar ist, das lässt sich nicht fassen.
Und so sind die gewaltigen Scharrzeichnungen auf der Ebene von Nazca eine der Hauptsäulen der These Dänikens – neben der Grabplatte von Palenque, der Karte des Piri Reis und dem Raumschiffbericht des biblischen Propheten Hesekiel. In elf seiner Bücher erwähnt Erich von Däniken dieses Rätsel der Anden.[1]
Und dennoch, so Däniken, hat man ihn immer wieder falsch verstanden.
„Sie behaupten immer wieder“, so wird er im Kreuzverhör gefragt, „die Ebene von Nazca wäre ein Flughafen gewesen.“ Und Däniken antwortet: „Sie unterstellen mir Dinge, die ich nie gesagt oder geschrieben habe! Schon in ‘Erinnerungen an die Zukunft’ sagte ich klar und deutlich: ‘Ob die Ebene von Nazca je ein Flugplatz war, ist heute noch nicht mit Bestimmtheit zu sagen.’ … In ‘Zurück zu den Sternen’ machte ich eindeutig klar, daß die Ebene von Nazca kein Flughafen war.“[2]
Und in Prophet der Vergangenheit stellt er fest: „Nirgends habe ich geschrieben, unsere Vorfahren wären dumm und nicht fähig gewesen, prähistorische Bauten zu errichten. Nirgendwo habe ich gesagt, die Außerirdischen hätten … die Scharrbilder auf der Ebene von Nazca angelegt.“[3] Und in Sagenhafte Zeiten 2/2001: „Ich […] verwies ihn [den Journalisten] auf mein Buch ZEICHEN FÜR DIE EWIGKEIT und machte auch klar, Nazca sei kein Ufo-Landeplatz“.[4]
Die Gleichsetzung Nazca und UFO-Flughafen
Däniken war nicht der erste Autor, der über Astronauten in der Vorzeit und – in diesem Zusammenhang – über Nazca schrieb. Schon im Oktober 1955 schlug der UFO-Fan Janes W. Moseley in einem Artikel in der Zeitschrift Fate vor, dass das Volk von Nazca „diese großen Bodenzeichnungen als Signal an interplanetarische Besucher oder eine fortschrittliche Erdkultur schuf, von denen sie hin und wieder Besuch erhielten“. Der Adamski-Freund und Kontaktler George Hunt Williamson, der Götter von der Venus in fliegenden Untertassen anbetete und eines der ersten prä-astronautischen Bücher, The Secret Places of the Lion, schrieb, meinte 1959 in seinem Werk Road in the Sky: „In der dunkelsten Vergangenheit kamen ‘himmlische Götter’ zur Erde. Aber warum kamen sie, und welche Bedeutung haben die unglaublich langen und perfekten astronomischen Linien? … Diese ‘Götter’ oder himmlischen Botschafter müssen in Verbindung gestanden haben mit einer unglaublich fortgeschrittenen Rasse auf der Erde, vielleicht halfen diese Menschen den ‘Göttern’ bei der Errichtung der Linien, vielleicht waren die ‘Götter’ nur die Architekten, ausgeführt wurden die Linien von den Menschen der Erde.“[5] Ähnliches hatte Williamson[6] bereits auf Vorträgen anlässlich seiner Europatournee 1958 berichtet: Es gebe Beweise für die einstige Anwesenheit der Planetarier in alten Mythen und archäologischen Artefakten. Die Linien von Nazca, die Inkabauten und Steinstatuen – all das sei von Planetariern geschaffen worden.[7]
1963 erschien Robert Charroux‘ Phantastische Vergangenheit – das erste Buch, das ausschließlich prä-astronautische Spekulationen enthielt und in diesem Zusammenhang zumindest den Kandelaber der Anden erwähnte.[8]
Bereits ein Jahr zuvor war eines der einflussreichsten spekulativen Bücher aller Zeiten erschienen, Aufbruch ins dritte Jahrtausend von Louis Pauwels und Jacques Bergier. Eher an die Trapeze als die Linien oder den Kandelaber dachten 1962 die französischen Journalisten, als sie folgende Spur vorzeitlicher Astronautenbesucher fanden: „Die Photographien der Ebene von Nazca … lassen uns zwangsläufig an die Markierungen eines Flugplatzes denken.“[9]
Erich von Däniken konnte in seinem Erstling Erinnerungen an die Zukunft sechs Jahre später nur zustimmen: „Uns vermittelt die 60 Kilometer lange Ebene von Nazca – aus der Luft betrachtet – eindeutig die Idee eines Flugplatzes!“[10]
Flughafen oder nicht Flughafen – Das ist hier die Frage!
Erich von Däniken hat sich – wir haben es gesehen – stets dagegen gewehrt, er halte die Ebene von Nazca für einen Flughafen der Außerirdischen.
Uns vermittelt das, was er in seinen ersten Büchern schreibt, allerdings eindeutig die Idee, er setze Nazca mit einem Flughafen gleich. „Eindeutig die Idee eines Flugplatzes“ klingt nun nicht gerade wie ein Dementi, und auch in Zurück zu den Sternen klingt alles noch sehr bestimmt: „In der Nähe des heutigen Städtchens Nazca landeten … fremde Intelligenzen und errichteten einen improvisierten Flugplatz.“[11]
Gegen diese simple Flugplatz-These hat Maria Reiche, eine Deutsche, die ihr Leben der Erforschung der Linien widmete, recht deutliche Argumente ins Feld geführt: „Raumschiffe … brauchen wohl keine Landebahnen. Außerdem ist der Boden denkbar ungeeignet. Anstatt ihn zu pflastern, hat man die Steine von der Oberfläche sorgfältig entfernt, so daß auch kleine Autos auf dem weichen Untergrund unweigerlich steckenbleiben. Flugapparate würden bei ihrer Landung überdies eine dichte Staubwolke hervorrufen, die sich als feine Puderschicht auf die umliegenden Zeichnungen legen und sie damit auslöschen würde.“[12]
Es war kein Flughafen …
Daher hat Däniken in späteren Büchern seine „eindeutige Idee“ überarbeitet und ausgebaut – und dabei stets geändert, so dass niemand wirklich weiß, was Däniken über Nazca sagt. Erst nach Reiches Einwänden nämlich beginnt Däniken zu betonen, dass eventuell nur die ersten Trapeze Landespuren gewesen seien, dann aber auch – obwohl er immer bestreitet, genau das gesagt zu haben –, dass trotzdem alle Trapeze Landebahnen gewesen sein könnten: „Was den weichen Untergrund der Ebene von Nazca betrifft, so scheint er mir dort, wo sich ausgerechnet die breitesten Linien befinden, recht hart zu sein. Zudem kann ich mir ein Fahrzeug, das wohl eine Landebahn, aber keinen Betonuntergrund zum Auslauf oder Start benötigt, sehr gut vorstellen – es könnte etwa nach dem Prinzip des Luftkissens funktionieren. … Die Pisten könnten aus Kunststoff oder Metallgittern bestanden haben. … Zurück bliebe genau das, was wir heute auf der Ebene von Nazca antreffen!“[13] – Also wohl doch ein Flughafen, wenn auch nur die Spuren davon!
Meine Welt in Bildern: Die parallelen Linien sind die erste Landespur
Aber Däniken ist nicht festzunageln. Zu fast keinem Thema wechselt er seine Meinung so oft wie zu Nazca, als einziges verbindendes Element bleibt die Behauptung, irgendetwas Außerirdisches sei da auf jeden Fall gelandet. In Meine Welt in Bildern sind nicht nur die Trapeze die Landeplätze der Außerirdischen, sondern vor allem die Linien: „Ein Zubringerraumschiff … kam auf der Ebene von Nazca zum Stillstand: es bleibt also eine Spur wie von Skiern im Schnee.“[14] Später hätten dann die Eingeborenen, die in der Weltraummenschen Götter sahen, die Tierfiguren als Gabe für die Götter angelegt.
Aber ein Flughafen war es nicht, betont er dann erneut, wer ihm das unterstelle, der führe ihn „wie ein Opfer zur Schlachtbank“[15] oder unterstelle ihm „auf böswillige Weise Aussagen“[16]. Nazca war also – nach Dänikens Aussage in seinen Büchern – zwar ein Flughafen, aber doch kein Flughafen, sonderm die Spur eines gelandeten Ufos – zumindest ursprünglich. Und so wehrt sich Däniken in jedem Buch gegen die Behauptung, er hielte Nazca für einen Flughafen von Außerirdischen, und sammelt dabei Belege, dass es tatsächlich so gewesen sein könnte.
Neue Erinnerungen an die Zukunft: Es war ein Flugleitsystem
So vergleicht er in seinem Band Neue Erinnerungen an die Zukunft das Liniengewirr von Nazca mit den im April 1983 sorgfältig und symmetrisch auf den Boden der Mojave-Wüste in Kalifornien aufgemalten Linien, die das Space Shuttle zu seinem Landeplatz leiten sollten.[17] Eine mehr als nur oberflächliche Ähnlichkeit zwischen streng geometrischen Linien und den durchaus wirren Liniennetzen von Nazca ist schwer zu erkennen – die Linien von Nazca hätten nie ein Flugzeug irgendwohin leiten könnten, da es viel zu viele sind, und es bliebe das Problem, dass der Wüstenboden von Nazca zu weich ist für ein landendes Raumschiff – mit oder ohne Skier.
Zeichen für die Ewigkeit: Das erste Trapez war eine Landespur
Bleibt für Däniken nur noch ein Ausweg, um seine Götterinterpretation zu retten: Die Linien sind von Menschen gemacht, aber in Imitation von wenigen ursprünglichen, heute vielleicht längst verlorenen echten Landespuren von UFOs. In seinem fast ausschließlich Nazca gewidmeten Buch Zeichen für die Ewigkeit greift Däniken den Einwand von Maria Reiche erneut auf und dreht ihn – ähnlich wie bei den Skispuren – zu seinen Gunsten. Ja, genau, der Boden der „Landebahnen“ in Nazca sei viel zu weich für ein Flugzeug. Däniken schlägt vor, die Trapeze von Nazca seien in Imitation einer echten Landespur eines außerirdischen Raumschiffs entstanden: „Durch die Landung war eine trapezförmige Fläche entstanden. … Mit Furcht und Staunen verfolgten die Indios von den fernen Hügeln und Bergen das seltsame Treiben der Fremden. … Dann, eines Tages, dröhnte es ungeheuer, die Indios eilten zu ihren Beobachtungsposten und erlebten, wie das ‘göttliche Flugzeug’ sich in den Himmel erhob.“[18]
Die Außerirdischen kehren in Dänikens Szenario später in einem anderen Raumschiff zurück und legen zickzackförmige Linien an, die „Lande- und Startinformationen“ für die Raumschiffe enthielten, „ähnlich wie heute auf einem Flugzeugträger“. Als die Außerirdischen endgültig ausblieben, befahlen die Priester den Indios dann, Linien und Trapeze und Zickzacklinien anzulegen, um die „Götter“ zur Rückkehr zu ermutigen (warum, das sagt Däniken nicht.) Doch die blieben aus. Nazca wurde in der Folge zu einer Wallfahrtstätte. So legten die Indios dann die großen Tierbilder an, die möglicherweise Stammeszeichen waren, um die Götter zum erneuten Landen zu zwingen.[19] Schließlich schickten sie sogar selbst „Raumschiffe“ in den Himmel, indem sie „Flugzeugmodelle“ an einem bis zum äußersten gespannten Gummiseil an eine Bergschräge platzierten. „Beim großen Fest genügte ein priesterlicher Befehl, und jemand zerschlug das angespannte Gummiband mit einem Axtschlag. Damit wurde das Flugzeugmodell himmelwärts katapultiert, den Göttern entgegen.“[20] Ein Raumschiff ist sogar im Wüstenboden von Nazca abgebildet[21]: Es hat einen Schnabel, gefiederte Schwingen, zwei Beine mit Krallen und einen breit gefächerten Schwanz – und ist somit für Nicht-Prä-Astronautiker nur sehr schwer von einem Vogel zu unterscheiden.
Vielleicht das vorerst letzte Wort – falls hier nicht ein Journalist phantasiert hat – zum Thema Nazca verkündete Däniken im Sommer 2001 in der Welt am Sonntag: „Die Kultstätte von Nazca habe ich als eine Art Landepiste interpretiert.“[22]
Erstaunlich, wie viel Energie Däniken darauf verwendet hat, seine Nazca-These immer wieder neu zu formulieren, wieviel Kraft er eingesetzt hast, um die Landeplatz- und Flughafenbehauptung als Unterstellung von sich zu weisen – um dann doch immer wieder darauf zurückzukommen.
Das also ist Erich von Dänikens Deutung der Hochebene von Nazca als „Nicht-Flugplatz“: Zuerst war Nazca ein recycelbarer Flugplatz „aus Kunststoff oder Metallgittern“, die Trapeze waren auch – er hat es nachgeprüft – hart genug, um darauf ein Luftkissenfahrzeug zu landen, dann die Imitation eines Flugplatzes – auf keinen Fall aber ein Flugplatz. Es war kein UFO-Landeplatz, aber ein UFO ist dort gelandet und hat entweder ein Trapez oder eine parallele Linie wie ein Skifahrer hinterlassen. Alleine die Bodenmarkierungen wie am Shuttle-Landeplatz in der Mojave-Wüste gelten ausschließlich als „Cargo-Kult“. Aber Däniken hat das – man kann ihn gerne danach fragen – nie gesagt.
Dieser Artikel erschien bereits in einer früheren Fassung bei Mysteria3000.de.
Danke an Markus Pezold und Unas.
[1] Erinnerungen an die Zukunft, Zurück zu den Sternen, Waren die Götter Astronauten?, Beweise, Meine Welt in Bildern, Prophet der Vergangenheit, Strategie der Götter, Der Tag, an dem die Götter kamen, Die Spuren der Außerirdischen, Auf den Spuren der Allmächtigen und Zeichen für die Ewigkeit.
[2] Däniken, E. von 1992: Erich von Däniken im Kreuzverhör, München, 78.
[3] Däniken, E. von 1979: Prophet der Vergangenheit, Düsseldorf, 226.
[4] Däniken, E. von 2001: Der neueste Witz über Nazca. Sagenhafte Zeiten 2, 20 f.
[5] Moseley und Williamson zitiert nach Clark, J. 1999: Unexplained!, London, 181.
[6] Williamson war übrigens ein Pseudonym: Richtig hieß der Mann Michel d‘Obrenovic, er war Mitglied einer amerikanischen Nazi-Partei. (Vallee, J. 1988: Dimensions – A Casebook of Alien Contact, Chicago, 250.
[7] Heermann, C. 1983: Geheimwaffe Fliegende Untertasse, Berlin, 171 f.
[8] Charroux, R. 1990: Phantastische Vergangenheit, Berlin, 112.
[9] Pauwels, L. / Bergier, J. 1979: Aufbruch ins dritte Jahrtausend, München, 218.
[10] Däniken, E. von 1971: Erinnerungen an die Zukunft, München, 25.
[11] Däniken, E. von 1972: Zurück zu den Sternen, München, 118.
[12] Reiche, M. 1970: Kommentar aus Nazca, in: E. von Khoun (Hg.), Waren die Götter Astronauten, Düsseldorf, 237–243 (237).
[13] Däniken, E. von 1970: Wo meine Kritiker mich mißverstanden haben, in: E. von Khoun (Hg.), Waren die Götter Astronauten, Düsseldorf, 244-258 (256).
[14] Däniken, E. von 1975: Meine Welt in Bildern, München, 199.
[15] z.B. Däniken, E. von 1985: Neue Erinnerungen an die Zukunft, München, 133.
[16] so in Däniken, E. von 1997: Zeichen für die Ewigkeit, München, 17.
[17] Däniken, E. von 1985: Neue Erinnerungen an die Zukunft, München, 152 f.
[18] Däniken, E. von 1997: Zeichen für die Ewigkeit, München, 169.
[19] ebd., 172 f.
[20] ebd., 179 f.
[21] ebd., 180.
[22] Däniken, E. von 2001: Wie werde ich phantasievoll? Welt am Sonntag, 15. Juli 2001, 43.