Das Geheimnis des Ritters Kahlbutz und weiterer unverwester Leichname

Abb. 1: Der unverweste Leichnam des Ritters Kahlbutz in Kampehl (Foto: André Kramer).

In dem kleinen Ort Kampehl in Brandenburg existiert eine kleine Touristenattraktion, die es aufgrund ihrer unheimlichen Geschichte zu internationaler Bekanntschaft geschafft hat. In der Gruft der örtlichen Feldsteinkirche wird die Mumie des Ritters Christian Friedrich Kahlbutz (1651–1702) in einem Eichensarg mit Glasabdeckung der Öffentlichkeit präsentiert.         
Die kleine Sensation um diesen Ritter kam 1794 ans Licht, als die Gruft bei Renovierungsarbeiten, die der neue Gutsherr Georg Krell anordnete, geöffnet wurde.[1] 
Die Arbeiter entdeckten hier drei Eichensärge. Die Leichen in zweien von diesen waren vollends verwest. Doch der Körper des besagten Ritters wurde mumifiziert vorgeworfen, selbst die Barthaare waren noch erhalten.

Aber seinen wirklich unheimlichen Charakter erhält diese Mumie durch das, was man sich über den Ritter Kahlbutz zu erzählen weiß. Er soll ein Tyrann gewesen sein und bei den hübschen Frauen seiner Ländereien auf das Recht auf die erste Nacht bestanden haben. Hiervon zeugt dann auch, dass der Gutsherr 11 eheliche und je nach Quelle bis zu 44 uneheliche Kinder gehabt haben soll.[2]     
Weiter, so die Sage, soll er ein schweres Verbrechen begangen haben. So wollte der Schäfer Pickert Maria Leppin ehelichen, doch verweigerte diese dem Ritter Kahlbutz das Recht auf die erste Nacht. Der bösartige Ritter habe dann aus Rache in der Nacht den Schäfer Pickert erschlagen. 
Maria aber ließ Kahlbutz in Neustadt/Done vor Gericht stellen. Zu dieser Zeit konnte sich ein Edelsmann jedoch mittels eines Reinigungsschwurs entlasten und so sagte er vor Gericht: „Wenn ich der Mörder war, wolle Gott, daß mein Körper nie verwese!“[3]

So soll der Fluch für den Meineid noch heute auf dem Ritter lasten und so existieren eine Reihe von Sagen und Spukgeschichten rund um den unverwesten Leichnam. Angeblich soll ein französischer Soldat die Mumie 1806 aus ihrem Sarg genommen und schwer beschimpft haben. Dann legte er den Körper auf dem Bauch liegend wieder in den Sarg. Am folgenden Tag habe man den Soldaten mit gebrochenem Genick aufgefunden.[4] Einer anderen Variation dieser Sage zufolge wollten französische Soldaten den Ritter 1806 an ein Kreuz vor der Kirche schlagen, doch soll ein Arm der Mumie beim Anheben einen der Soldaten ins Gesicht gefallen sein, worauf dieser vor Schreck starb.[5]     
Und auch heute noch, so heißt es, spuke der Geist des Kahlbutz in Kampehl umher. Angeblich erscheine dieser mit rotglühenden Augen Fußgängern und Autofahrern auf der Schwenzelbrücke und würde sie erschrecken[6] oder sich Fußgängern an den Rücken hängen, sodass sie vor Last zusammenbrechen, wie bereits Theodor Fontane zu berichten wusste.[7] Wie häufig derartige Spukerlebnisse tatsächlich vorkommen, geht aus der vorhandenen Literatur jedoch nicht hervor. 
Ein Knecht, so erzählt man sich, habe dem Leichnam am Bart gezogen und verspürte dann in der Nacht auf der Schwenzelbrücke plötzlich eine schwere Last auf dem Rücken und sei dann nach einer Weile tot zusammengebrochen.[8]

Abb. 2: Der Kopf des Ritters Kahlbutz (Foto: André Kramer).

Doch was hat es jetzt mit dem unverwesten Leichnam und den mit ihm in Verbindung gebrachten Sagen auf sich?   
Untersuchungen an der Mumie ergaben, dass es keinerlei Hinweise auf eine Präparation gibt, die zur Erhaltung geführt haben könnten, doch bieten der geringe Wärmeaustausch des Feldsteinmauerwerks sowie die wenig intensive Sonneneinstrahlung durch die Nordlage günstige Bedingungen zum Austrocknen der Leiche.[9]          
Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass die beiden anderen hier gelagerten Leichen vollständig verwest sind. Möglicherweise, so wird spekuliert, lag die Sache bei Kahlbutz dadurch anders, dass der als Resultat aus seiner Trunksucht und möglichen anderen Erkrankungen schnell und umfassender dehydriert war.[10]

Tatsächlich sind unverweste Leichen ein recht häufiges Phänomen. Besonders christliche Heilige sollen immer wieder hiervon betroffen sein. Um nur ein weiteres Beispiel aus Deutschland anzuführen, sei auf die Herzberger unverweste Leiche verwiesen, die 1787 bei der Öffnung des Grabgewölbes des hier bestatteten Conrad Schachtrupp entdeckt wurde, nachdem dieser 1677 verstorben war.[11]       
Auch hier scheinen klimatische günstige Bedingungen den Verwesungsprozess verhindert haben und auch um diesen Fall drehen sich Sagen um den Verstorbenen. Heute wird er im Magazin der Rechtsmedizin in Göttingen aufbewahrt.[12] Weitere Fälle führen zum Beispiel Janet und Colin Bord[13] oder Shuker an.[14] Auch in weiteren Sagen taucht das Motiv immer wieder auf: So sei ein mächtiger Lübecker Graf etwa nicht verwest, da er seine Eltern zu Lebzeiten schlecht behandelte, und der Fluch konnte erst gelöst werden, nachdem eine Dirne auf Geheiß des Geistes des Verstorbenen die Eltern des Grafen dreimal um Vergebung bat.[15]
Schauen wir uns die spannende Sage rund um den Ritter Kahlbutz an, so zeigt sich, dass die älteste schriftlich erhaltene Sage um sein Verbrechen zwar auch den Mord an dem Schäfer Pickert anführt, dies jedoch aufgrund von Streitigkeiten rund um das Weideland.[16]          
Da die Gerichtsakten dieser Zeit leider vollends zerstört wurden[17], wird endgültige Klarheit wohl ausbleiben müssen, doch ist es in diesem Zusammenhang recht bezeichnend, dass der häufigste Grund für das Nicht-Verwesen eines Leichnams im Volksglauben ein zu Lebzeiten geleisteter Meineid ist.[18] Der bereits erwähnten Herberger unverwesten Leiche des Conrad Schachtrupp weiß die Sage auch einen Meineid anzudichten.[19]      
Ebenfalls interessant ist, dass Gerüchte und Variationen von Geschichten ja bereits kleine Details betreffen können, die sich erst auf Zeit womöglich auswirken. Betrachtet man die Literatur, die sich mit dem Ritter Kahlbutz befasst, so trifft man zum Beispiel immer wieder auf differierende Angaben rund um die Öffnung der Gruft. Holbe gibt 1749 als Datum der Entdeckung der Mumie an[20], Nyary spricht von hundert Jahren nach dem Tod des Ritters 1702[21], Marsden benennt 1794[22], das auch korrekte Datum sein dürfte, da es so in der Feldsteinkirche notiert ist.

Abb. 3: In der Mauer notiert, das Jahr der Öffnung der Gruft (Foto: André Kramer).

Vollends erklärt sind die Umstände der Mumifizierung des Ritters Kahlbutz nicht, und solange, wie die gruseligen Sagen um den Fluch des Gutsherrn am Leben erhalten werden, wird Kampehl auf seine Touristenattraktion nicht verzichten müssen.

Quellen

Bächtold-Stäubli, H. / Hoffmann-Krayer, E. (Hg.) 2000: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 8. 3., unveränderte Auflage, Berlin/New York.

Baumgartner, A. / Klug, A. 2001: Seit 299 Jahren jede Nacht unterwegs. B. Z. 04.12.2001.

Bord, J. / C. 1990: Unheimliche Phänomene des 20. Jahrhunderts, Rastatt.

Holbe, R. 1994: Blick in die Zukunft. Den großen Rätseln der Menschheit auf der Spur, Frankfurt a.M./Berlin.

Marsden, S. 19982: Geistersuche. Auf den Spuren des Unheimlichen von Irland nach Transylvanien, Freiburg.

Näther, S. 1996: Der Ritter Kahlbutz. Ein Rätsel für die Wissenschaft? G.R.A.L. 4/1996.

Nyary, J. 1999: Ritter Kahlbutz und sein dunkles Versprechen. BILD 27.07.1999.

Otto, K.-H. 2012: Ritter Kalebuz. Deutschlands legendärste Mumie. Kornett des Prinzen Friedrich von Homburg, Kleists tragischer Fehrbellin-Held, Potsdam.

Paetzold, M. o.J.: Zum Stelldichein mit einem Toten. (gesichtet am 14.11.2022)

Rölleke, H. 2001: Das große deutsche Sagenbuch, Düsseldorf.

Shuker, K. P. N. 1996: Weltatlas der rätselhaften Phänomene, Bindlach.

Uther, H.-J. (Hg.) 2000: Deutscher Sagenschatz, Kreuzlingen/München.


[1] Vgl. Otto 2012, 5.

[2] Vgl. Marsden 1998, 91.

[3] Zit. n. Näther 1996, 247.

[4] Vgl. Baumgartner/Klug 2001.

[5] Vgl. Marsden 1998, 92.

[6] Vgl. Baumgartner/Klug 2001.

[7] Vgl. Otto 2012, 9 ff.

[8] Vgl. Baumgartner/Klug 2001.

[9] Vgl. Näther 1996, 247 f.

[10] Vgl. a. a. O., 249.

[11] Vgl. Uther 2000, 80 ff.

[12] Vgl. Paetzold o. J.

[13] Vgl. Bord u. Bord 1990, 298 ff.

[14] Vgl. Shuker 1996, 66.

[15] Vgl. Rölleke 2001, 116 f.

[16] Vgl. Otto 2012, 12 f.

[17] Vgl. Holbe 1994, 180.

[18] Vgl. Bächtold-Stäubli; Hoffmann-Krayer 2000, 1496 f.

[19] Vgl. Uther 2000, 80 ff.

[20] Vgl. Holbe 1994, 180.

[21] Vgl. Nyary 1999.

[22] Vgl. Marsden 1998, 91.