Ausstellung: MITHRAS. Annäherungen an einen römischen Kult (Arch. Mus. Frankfurt)

Stiertötung durch Mithras und weitere Statuen aus Mithräum in Nida (Frankfurt).

„Zum Ende einer Reise mit den Stationen Mariemont (Belgien) und Toulouse (France) kehren die Denkmäler des Mithras-Kultes aus der römischen Stadt Nida (Frankfurt am Main-Heddernheim) zurück nach Frankfurt: Das Archäologische Museum Frankfurt zeigt vom 25.11.2022 bis zum 10.4.2023 die in internationaler Kooperation entstandene Ausstellung »MITHRAS. Annäherungen an einen römischen Kult«. Ein zentraler Bestandteil der Schau sind die herausragenden Funde aus den Mithras-Heiligtümern von NIDA, die bereits im 19. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der Altertumsforschung erregten. Gemeinsam mit zahlreichen Objekten aus Mithräen des Limesgebiets an Rhein und Donau bilden sie den Schwerpunkt der Frankfurter Ausstellung.

Ausgewählte Denkmäler aus dem antiken Gallien und Italien ermöglichen zudem einen Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Grenzregionen und den kulturellen Zentren im Westen des Imperium Romanum. Dank der engen Zusammenarbeit mit einer Vielzahl europäischer Museen ist es möglich, in der Ausstellung nicht nur die Ergebnisse aktueller archäologischer Forschung zu präsentieren, sondern auch einen Blick auf die Rezeptionsgeschichte des Mithraskultes bis in die Neuzeit zu werfen. Somit bietet die Schau einen ungewöhnlichen, neuen Blick auf diese Gottheit und ihren faszinierenden Kult, der uns heute noch in vielen Bereichen Rätsel aufgibt.“

Seit dem 25.11.2022 zeigt das Archäologische Museum Frankfurt die Sonderausstellung MITHRAS. Annäherungen an einen römischen Kult, die sich einem faszinierenden Phänomen der Antike widmet: Während der Kaiserzeit verbreitete sich der ursprünglich aus dem Orient stammende Mysterienkult um den Gott Mithras im römischen Reich. Obwohl nie als offizieller Kult staatlich gefördert, entstanden an vielen Orten kleine Mithras-Heiligtümer, sogenannte Mithräen. Während sich die schriftlichen Quellen über den Kult fast ausschließlich auf die knappen Polemiken früher Christen beschränken, liefert die Archäologie zahlreiche faszinierende Funde in Form von Statuen, Reliefs und Weihegaben.         
Kaum ein Standort könnte für eine Ausstellung zum Mithras-Kult geeigneter sein als Frankfurt am Main: Aus der römischen Vorgängerstadt Nida sind nicht weniger als fünf Mithräen bekannt, die größtenteils im 19. Jahrhundert ausgegraben wurden und zahlreiche Funde lieferten.

MITHRAS. Annäherungen an einen römischen Kult – Ausstellung in der Karmeliterkirche (Archäologisches Museum Frankfurt).

Die in der Ausstellung gezeigten Objekte sind zweifelsohne beeindruckend: Zu sehen sind gleich mehrere originale Reliefs der Tauroktonie, der Tötung eines mythischen Stieres durch Mithras. Hinter Vorhängen ist die originale Anordnung von Relief und Statuen aus einem der Mithräen von Nida nachgestellt (Bild oben). Hinzu kommen zahlreiche Inschriftensteine und andere Kunstobjekte, die von Anhängern des Mithras-Kultes gestiftet wurden. Besonders thematisiert werden natürlich die Mithräen von Nida sowie weitere Fundorte der näheren Umgebung, dem römischen Germanien – vertreten sind jedoch auch hochwertige Mithras-Relikte aus Frankreich, Italien, Ungarn und sogar Rumänien. Eine Kuriosität bildet eine löwenköpfige Statue, die nach ihrer Entdeckung fälschlich aus Fragmenten zweier verschiedener Statuen zusammengesetzt wurde.    
Szenen wie die Stiertötung und die Steingeburt des Mithras, die häufig in Bildwerken dargestellt werden, lassen auf einen mehr oder weniger einheitlichen Mythos um diesen Gott schließen. Da jedoch kaum Schriftquellen über den Mysterienkult und seine Inhalte existieren, lässt sich dieser nur sehr spekulativ rekonstruieren, wie wir auf einer Texttafel erfahren. Eine daneben angebrachte Videoinstallation zeigt jedoch genau einen solchen Mithras-Mythos mit durchgehender Handlung. Wie zuverlässig diese Nacherzählung ist, auf welchen Grundlagen sie basiert, welche Teile gesichert und welche moderne Interpretation sind, wird leider nicht näher diskutiert.

Geburt des Mithras aus einem Stein – Statue aus Mithräum in Nida (Frankfurt).

Unser populäres Bild vom Mithras-Kult – sofern ein solches überhaupt vorhanden ist – ist geprägt von diffusem Halbwissen: „In der modernen Sachbuchliteratur über Mithras wird vor allem die Ansicht vertreten, dass es sich bei ihm um einen orientalischen Gott handelte, der insbesondere von Soldaten geschätzt wurde. Zudem betrachtete man den Mithras-Kult als exklusiv, geheim und als starken Konkurrenten des frühen Christentums.“ Wenn das Christentum durch irgendeine Seuche in seiner Ausbreitung aufgehalten worden wäre, so schrieb Ernest Renan bereits 1882, dann wäre die Welt heute wohl mithrasgläubig. „Diese Auffassungen“, erläutert eine Schautafel, „halten neueren wissenschaftlichen Untersuchungen jedoch nicht stand.“         
Beispielsweise belegen Inschriften die Zugehörigkeit zum Mithras-Kult für Angehörige verschiedener Hintergründe, deutlich über das römische Militär hinaus. Unter Soldaten dürfte er jedoch in der Tat eine besondere Attraktivität genossen haben, da er in den Provinzen sozialen Anschluss und Identifikation bot. Der Mithras-Kult sei jedoch weit weniger missionarisch und auch in den niederen Schichten weniger verbreitet gewesen und somit – entgegen der noch heute oft zitierten Behauptung – wahrscheinlich doch keine ernstzunehmende Konkurrenz für das Christentum. Leider nicht diskutiert wird dagegen die Frage nach der Ähnlichkeit zwischen Mithras und Christus, die heutzutage oft in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen betont wird. Auch über die Ursprünge des Kultes und in welchem Zusammenhang der römische Mithras denn nun wirklich mit dem persischen Gott Mitra stand, erfahren wir leider nichts. Auch wenn die Forschungsgeschichte und die damit verbundenen Fehlvorstellungen durchaus thematisiert werden, so hätte man sich bei diesen Aspekten durchaus mehr Informationen wünschen können. In dieser Hinsicht hat die Ausstellung also zu einem gewissen Grad die Chance (und Pflicht) verpasst, den Besucher bei seinem bereits vorhandenen Wissen abzuholen und dieses wissenschaftlich-kritisch einzuordnen.         
Dabei zeigt sich, dass es sich eben um eine primär archäologische und nicht philologische Ausstellung handelt: Im Mittelpunkt stehen vielmehr die lokalen Mithras-Heiligtümer und der Mithras-Kult in den germanisch-römischen Provinzen. Sehr gut erklärt werden allerdings diese Fundorte und auch ihre Geschichte – insbesondere auch der Kontext ihres Endes in der Spätantike, das sich nicht auf die Zerstörung durch radikale Christen beschränken lässt. Texttafeln erläutern zudem weitere Aspekte des Mithras-Kultes wie die Einweihungsgrade und die kultischen Festmähler, deren Überreste in Form von Tierknochen noch heute zu finden sind.
Trotz kleiner inhaltlicher Lücken lohnt der Besuch auf jeden Fall – beeindruckende Funde und informative Texte vermitteln einen spannenden Überblick über den rätselhaften Mithras-Kult.

Stiertötung durch Mithras – Marmorgruppe aus Sarmizegetusa, Rumänien

Ein umfangreicher Katalog mit dem Titel The Mystery of Mithras – Exploring the Heart of a Roman Cult ist für 40 € an der Museumskasse erhältlich. Da es sich jedoch um eine Wanderausstellung in Kooperation mit Museen in Mariemont und Toulouse handelt, ist dieser nur in französischer und englischer Sprache erschienen. Das wahrlich monumentale Werk entschädigt dafür jedoch mit zahlreichen Textbeiträgen sowie den beeindruckenden Ausstellungsobjekten aller drei Standorte einschließlich der Funde aus Nida.

MITHRAS. Annäherungen an einen römischen Kult

Archäologisches Museum Frankfurt
Karmelitergasse 1
60311 Frankfurt a. M.
Do–So 10:00–18:00 Uhr (Mi bis 20:00 Uhr)
Eintritt 7 € (ermäßigt 3,50 €)

25.11.2022 bis 10.4.2023

Archäologisches Museum Frankfurt: MITHRAS. Annäherungen an einen römischen Kult

Mithras-Projekt: The Mystery of Mithras – Exploring the Heart of a Roman Cult

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