Simbabwe im Kontext

Die Ruinen von Groß-Simbabwe (Wikimedia Commons)

Die gewaltigen Ruinen von Groß-Simbabwe in Ostafrika sind seit ihrer Entdeckung nicht nur Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung, sondern auch Objekt ausufernder Spekulationen geworden. Man hielt sie für das Goldland Ophir, für eine phönizische Siedlung, für atlantische Ruinen oder für eine Darstellung des angeblichen Siriussystems der Dogon. Offenbar durfte eine Meinung nicht gelten: dass schwarze Afrikaner aus eigenem Antrieb diesen Königspalast erbaut hatten. Wir finden deshalb in der grenzwissenschaftlichen Literatur häufig Hinweise darauf, dass es in Afrika nichts Vergleichbares gäbe, dass die Ruinen ohne Vorläufer und Nachfolger seien, dass letztlich solch ein Werk nicht im Vermögen der Afrikaner gewesen sei.        
All das ist – vorweg gesagt – hanebüchener Unsinn. Dass Kolonialisten aus politischem Eigeninteresse so dachten, mag man verstehen, aber dass heute noch Atlantisbücher und prä-astronautische Schriften diesen rassistischen Humbug ernsthaft erwägen, muss schon befremden. 
Denn auch auf Deutsch liegt schon seit 1975 das umfassende Buch Simbabwe. Neue Entdeckungen der Archäologie. Goldland der Bibel oder Symbol afrikanischer Freiheit? von Peter S. Garlake vor, das die Ruinen ausgiebig beschreibt und in ihren Kontext einbettet. Seit dieser Zeit sind Korrekturen im Einzelnen vorgenommen worden, doch die Tatsachen stehen nach wie vor.

Groß-Simbabwe

Karte der Stätten von Simbabwe (Chirikure/Pikirayi 2015, Fig. 2)

Die Stadt Groß-Simbabwe besteht neben dem berühmten Oval mit dem konischen Turm aus etwa 15 Gebäuden, und ebenso umfangreich ist die Akropolis, die diesen Großkomplex überragt. Das Gebäude, auf das immer alle Grenzwissenschaftler abzielen, ist nicht nur ein bloßer Teil von mehr als zwei Dutzend Einfriedungen am selben Platz – es sind mehr als 150 Ruinen vom Simbabwe-Typ auf dem Granithochplateau von Simbabwe erhalten. Früher müssen es mehr als 200 gewesen sein, 50 archäologische Fundplätze wurden seit 1900 zerstört – wohl auch, um den Afrikanern einen Teil ihrer Geschichte zu rauben. Bis 1970 waren von diesen 200 Orten nur acht überhaupt archäologisch ergraben, darunter Tsindi. Sie alle bestehen aus gewaltigen, festgefügten Mauern, lose dazwischen aufgehäuften Trockensteinwällen und in deren Zentrum, wie die Spinne im Netz, Plattformen für Hütten in Lehmbauweise. Trotz der unterschiedlichen Stilmerkmale stammen alle Mauern aus derselben Zeit, dem 13. Jahrhundert, als an der nahegelegenen Küste bereits ein emsiger, transozeanischer Handel zwischen beiden Seiten des Indischen Meeres stattfand. Simbabwe und die damit zusammenhängenden Stadtstaaten lieferten Metalle zu diesem Handelsnetzwerk. In Groß-Simbabwe lebte die Elite im berühmten Oval, die Handwerker verstreut auf dem Gelände. Funde arabischer und chinesischer Provenienz lassen präzise Datierungen zu.

Die Ähnlichkeit mit dem Sirius-System der Dogon ist nicht mehr vorhanden, wenn man die ursprüngliche, von Robert Temple nicht bearbeitete Version nach Marcel Griaule und Germaine Dieterlen mit dem Grundriss der Gesamtanlage von Simbabwe vergleicht:

Man muss also eine bereinigte, verfälschende Darstellung mit einem um neun Zehntel bereinigten Bauplan von Simbabwe vergleichen, um überhaupt Ähnlichkeiten zu finden!

Simbabwe steht jedoch nicht allein: Unter den 200 Ruinen vom Typ Simbabwe vermutet man mindestens 30 weitere Hauptstädte (wohl Stadtstaaten).[1]

Wie Simbabwe wurde Thulamela um 1250 errichtet, es befindet sich heute in Staat Südafrika. Es gilt als die dramatischste von über 300 autochthonen Ruinen im Kruger National Park:

Weitere Stätten vom Typ Groß-Simbabwe liegen bei Chibvumani, Umtali und Ruanga. Berühmt sind die Anlagen von Chiswingo bzw. Chisvingo in Zimbabwe. Dort umschließt ein einzelner, bogenhaft verlaufender, hufeisenförmiger Mauerabschnitt einen nach Westen offenen Innenhof von etwa 35 m Durchmesser, in dem die Lehmhütten standen.

Nhungusa bzw. Nhunguza Ruin, etwa anderthalb Kilometer nordöstlich gelegen, stammt aus derselben Zeit.[2]
In Zinjanja finde man eine terrassenförmig angelegte Stadt:

Neben Groß-Simbabwe am eindrucksvollsten sind wohl die Mauern von Tsindi (früher auf Afrikaans: Lekkerwater) aus der Zeit um 1250. Diese Tsindi Ruins sind eine Art kleine Version von Simbabwe; nach den Anfängen im 13. Jahrhundert wurde die Siedlung im 15. Jahrhundert erweitert. Noch im 17. oder 18. Jahrhundert wurden hier – wohl für kultische Zwecke – neue Lehmhütten errichtet.

Vorläufer

Um das Jahr 1000 errichteten die Afrikaner Mutoko an einem bereits zuvor besiedelten Ort. Die heutige Anlage dürfte aus der Zeit von Groß-Simbabwe oder kurz danach stammen, sie schützte ein Bergbaugebiet. Die Gestaltung der Treppen ist identisch mit der in Groß-Simbabwe:

Nach Simbabwe

Ruinen von Khami (nach Randall-MacIver 1906, Wikimedia Commons)

Die Ruinen von Khame bzw. Khami im Südwesten Simbabwes sind die Überreste der Hauptstadt des Königreichs Torwa und stammen aus der Zeit um 1350. Man hielt die großen Terrassen früher für die auf Simbabwe folgende Hauptstadt, heute nimmt man an, dass es sich um einen konkurrierenden Stadtstaat handelte. Torwa wurde 1680 vom Reich Rozwi erobert, dessen König verlegte die Hauptstadt nach Naletale.

„Die heutigen Überreste des Ortes bestehen aus einem Palastkomplex, der auf einem Hügel oberhalb der Siedlung platziert war, sowie den Resten von Steinwällen und Terrassen. Diese Terrassen sind gegenüber Groß-Simbabwe ebenso eine Neuerung wie ornamentale Steinanordnungen.“

Der Grundriss zeigt das für das südliche Afrika charakteristische Oval mit Zwischenmauern:

Plan des Khami-Komplexes (Pikirayi 2013, Fig. 6)

Garlake[3] führt 20 Ruinen vom Typ Khami an, darunter das Danan’ombe Monument (früher: Dhlo-Dhlo Ruins):

In dieser Zeit, dem 14. bis 15. Jahrhundert, existierte mit Khami nicht nur ein weiterer unabhängiger Staat – dasselbe trifft wohl auf Injanga und mehrere weitere Ruinen im Matabeleland und Mashionaland zu[4], wohl auch für Mapela Hill.

Bei Ziwa bei Nyanga, Zimbabwe, handelt es sich um die Überreste einer bäuerlichen Siedlung aus dem 15. Jahrhundert. Hier treffen wir noch die für Simbabwe typischen Tore sowie den doppelten Mauerverlauf an.

  • Wikipedia (en): Ziwa

Chumnungwa, Taba ziha Mambo und Naletale stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die weitläufige Bergfestung Bumbusi, im Stile von Simbabwe errichtet, datiert auf das 18. und 19. Jahrhundert:

Die Steinarchitektur Südafrikas reicht weit in die Zeit hinein, als Kolonialisten das Land nach und nach eroberten. Kaditshwene im der heutigen Republik Südafrika war die Hauptstadt der Hurutshe, wurde um 1750 gegründet und hatte 1820 20.000 Einwohner (mehr als das damalige Kapstadt). Es gab Kupfer-, Eisen- und Zinnschmelzöfen.

Ruinen von Senosi- und Moketwane-Behausungen (Boeyens 2016, Fig. 17)

Der Königskraal uMgungungdlovu in Natal, Südafrika, wurde 1829 erbaut und 1838 zerstört.[5]

Danach beginnt die hauptsächlich von Europäern geschriebene Geschichte.

Literatur

Bahn, P. G. 1997: Lost Cities, London.

Boeyens, J. C. A. 2016: A tale of two Tswana towns: In quest of Tswenyane and the twin capital of the Hurutshe in the Marico. Southern African Humanities 28/1, 1–37.

Chirikure, S. / Pikirayi, I. 2015: Inside and Outside the Dry Stone Walls: Revisiting the Material Culture of Great Zimbabwe. Antiquity 82(318), 976–993.

Garlake, P. S. 1972: Excavations at the Nhunguza and Ruanga Ruins in Northern Mashonaland. The South African Archaeological Bulletin 27/107–8, 107–142.

Garlake, P. S. 1975: Simbabwe. Neue Entdeckungen der Archäologie. Goldland der Bibel oder Symbol afrikanischer Freiheit?, Bergisch Gladbach.

Pikirayi, I. 2013: Stone architecture and the development of power in the Zimbabwe tradition AD 1270 – 1830. Azania Archaeological Research in Africa 48/2, 282–300.


[1] https://twitter.com/rhaplord/status/1000453120558796801

[2] Garlake 1972.

[3] Garlake 1975,181.

[4] Garlake 1975,Karten S. 177.

[5] Bahn 1997, 38.