Vier Kurzrätsel und Sackgassen

Die steinernen „Köpfe“ von Walther Matthes (nach Matthes 1965, Tf. 2.2)

Zahllose Meldungen kursieren in der alternativarchäologischen Literatur, die sensationell klingen – und manchmal auch sensationell sind, aber manchmal einfach nur falsch oder missverständlich geschildert und von Abschreiben zu Abschreiben noch stärker verfälscht werden. Erregt eine solche kleine Randnotiz meine Aufmerksamkeit, versuche ich, ihr nachzugehen. In 19 von 20 Fällen führt das leider zu nichts. Ohne Ergebnis publiziert man nicht, und wenn man nicht publiziert, weiß niemand, dass jemand dieser besonderen Nachricht bereits nachgegangen ist. Deshalb möchte ich hier einige meiner Sackgassen und auch möglichen Erklärungen schildern. Vielleicht findet jemand mehr heraus!    
Konkret geht es in meinen Beispielen um die Entdeckungen um riesige Statuen in Hamburg und in den Karpaten, um einen tertiären Affenmenschen bei Delsberg in der Schweiz und um ägyptische Inschriften, die den Exodus belegen sollen. Jeder einzelne Fund stellt eine Herausforderung für die konventionelle Geschichtsforschung dar.

Die Riesenköpfe von Hamburg

Nach einer Randnotiz von Louis Pauwels und Jacques Bergier, die im Allgemeinen korrekt zitieren, stand ein sensationeller Bericht in der sowjetischen Zeitschrift Technik und Jugend (6/1965). Demnach hätte ein Bauarbeiter unter der Leitung des Ingenieurs Hans Elieschlager im November 1957 mit seinem Bagger beim Wiederaufbau von Hamburg riesige Steine ausgebuddelt, die Menschenköpfen glichen. Der Archäologe Professor Walther Matthes habe diese untersuchte und sei zum Schluss gekommen, dass es sich um Skulpturen handelte. Eine Figur habe zwei Gesichter gehabt, beim Drehen sei aus einem Männergesicht ein Frauengesicht geworden.[1]    
Eine Suche in Büchern ergab keinerlei Hinweise drauf, um was es sich hier handeln könnte. Lediglich den Archäologen konnte ich dingfest machen, denn er hat einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Demnach war Matthes (1901–1997) ein führender Archäologe der NS-Zeit im Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte von Hans Reinerth, „1934 wurde er ohne Habilitation ordentlicher Professor für „Vorgeschichte und Germanische Frühgeschichte“ an der Universität Hamburg und gleichzeitig Leiter der prähistorischen Abteilung am Hamburger Völkerkundemuseum. Von 1941 bis Kriegsende war er für die Vorgeschichtsabteilung des Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg tätig. 1941 und 1942 war er für jeweils sechs Wochen in der Bretagne eingesetzt, von Herbst 1942 bis Herbst 1943 in der besetzten Sowjetunion, von März bis Dezember 1944 unternahm er eine Forschungsreise durch Italien. Im Januar 1946 wurde er als Belasteter entlassen und bis Januar 1947 interniert. 1948 wurde er als entlastet eingestuft, die zuständige Behörde verweigerte ihm jedoch trotzdem die Rückkehr auf seine Professur. Erst nach mehreren Prozessen konnte er seine Professur 1951 wieder antreten.“[2]     
Von 1947 bis 1957 wurde in Hamburg zwar nach den Resten der ersten Hammaburg gesucht, dabei wurden aber keine Riesenköpfe ausgegraben. Andererseits soll es sich um eine Zufallsentdeckung handeln. Auf jeden Fall war Matthes zur angegebenen Zeit am fraglichen Ort tätig. Eine Veröffentlichung über Ausgrabungen in Hamburg 1957 konnte ich nicht nachweisen, wohl aber Forschungen zu den von ihm auch als karolingisch anerkannten Großskulpturen an den Externsteinen. Es ist also gut möglich, sogar mehr als wahrscheinlich, dass für den Bericht in der sowjetischen Zeitschrift eine Quelle existiert.

Die Klärung brachten in diesem Fall Nachforschungen durch Markus Pezold. Er fand eine französische Übersetzung des russsischen Berichts, nach dem die Artefakte mindestens in die Zeit des Neandertalers datieren und 100 000 Jahre alt sein sollen.[3] Die Funde wurden bei Hamburg-Wittenbergen gemacht und werden in der Fachwelt kaum beachtet und höchstens als Fußnote kurz gestreift. Dass sie „umstritten“ seien, ist offenbar Grundkonsens. Fotos auf diversen Webseiten zeigen, dass es sich um maximal faustgroße, nicht aber um Riesenköpfe handelt, und dass sich die „Skulpturen“ praktisch nicht von normalem Geröll unterscheiden lassen, in das man Gesichter hineininterpretieren kann, also eher um Simulakra als um authentische Funde.[4]   
Als Quelle für die Funde vermerkt www.originsnet.org:

Matthes, W. (1969). Eiszeitkunst im Nordseeraum. Otterndorf, Gr: Niederelbe-Verlag.

Matthes, W. (1964/1965). Die Entdeckung der Kunst des Alteren und Mittleren Palaeolithikums in Norddeutschland. Jahrbuch für Prahistorische und Ethnographische Kunst (IPEK) 21:1-18.

Matthes, W. (1963). Frühe bildende Kunst in Europa. Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte XV/1:164-179.

Matthes Funde werden in nur drei Fachbüchern überhaupt positiv rezipiert:

Nelly Naumann: Japanese Prehistory: The Material and Spiritual Culture of the Jōmon Period. Otto Harrassowitz Verlag, 2000, S. 146

Rock Art Research: The Journal of the Australian Rock Art Research Association (AURA), Band 20, Archaeological Publications, 2003, S. 115

Ritrovamenti Ed Arte Dellepoca Glaciale. Vandenhoeck & Ruprecht, S. 294

Sie werden allerdings in keiner Monografie über Neandertaler erwähnt. Matthes stellte sie privat aus, weil kein Museum interessiert war, und deutete sie vor allem völkisch. Auf Anfrage eines Wikipedia-Autoren erklärte Rainer Michl von der Universität Hamburg, es bestehe von Seiten der Universität kein Interesse an der Sammlung von Prof. Matthes, da es sich „… nach einhelliger Meinung von Steinzeit- und Steinschlagtechnik-Fachleuten – eindeutig nicht um Artefakte sondern um Naturprodukte handelte. … Die Matthesche Auffassung ist wohl als Kuriosum zur Kenntnis genommen worden“. Gefördert würden Matthes‘ Funde vor allem von Autoren aus dem rechtsextremen Umfeld.[5]

Die Karpaten-Skulpturen

Betreffend der sogenannten Mazma-Kultur in Peru spricht der französische Autor Pierre Carnac von „sphinxförmig behauenen Felsen in den Karpaten (in Bratocea, Busteni und Cerna), die alle in der gleichen Weise ausgerichtet sind.“[6]    
Dokumentiert habe diese Daniel Ruzo, der auch die angebliche Großskulpturenkultur in Peru entdeckte. Ruzo drehte 1966 in Rumänien einen Dokumentarfilm über diese Skulpturen, den Omul (Mensch), die Sphinx, den Löwen, die dort allerdings nicht als Skulpturen angesehen wurden, sondern als Naturschönheiten.[7]       
Tatsächlich lässt sich zumindest die sogenannte Bratocea-Sphinx oder Bratocea’s Sphinx im Internet leicht finden – solche gesichtsartigen Felsen kennt man ja aus vielen Gegenden, und man muss schon eine Vorliebe für alternative archäologische Umdeutungen haben, um darin Menschenwerk zu sehen, wie das z.B. auf der Website hubpages.com geschieht, die mehrere weitere angebliche Großskulpturen auflistet.[8]     
Die konventionelle Deutung findet sich in der englischen Wikipedia unter dem Stichwort „Sphinx (Romania)“. Die „Sfinxul“ wird dort als natürliche Felsformation im Nationalpark Bucegi beschrieben, die durch die Witterung Kopfform erhalten habe. Sie befindet sich auf 2216 Meter über Meereshöhe innerhalb der Babele-Felslandschaft.[9]         
Ähnlichen Deutungen von natürlichen Felsformationen als Menschenwerk begegnet man immer wieder, etwa in den Wäldern bei Paris (durch Robert Charroux), im Harz und anderswo.

Der Tertiäre Mensch von Delsberg

In dem Buch Forbidden Archeology der hinduistischen Kreationisten Michael A. Cremo und Richard L. Thompson wird kurz, nur in einem Nebensatz, der fossile Tertiärmensch von Delsberg (Delemont) in der Schweiz erwähnt. Er soll lange vor jeder heute wissenschaftlich akzeptierten ersten Menschenspezies existiert haben – genauer gesagt, aus dem späten Eozän stammen, vor mindestens 38 Millionen Jahren, zudem sei das Skelett das eines modernen Menschen gewesen.[10]  
Obwohl sich bei der ersten Quelle keine zusätzlichen Informationen finden, wurde dieser sensationelle Fund schnell von anderen alternativen Autoren als Beweis für alles und nichts angeführt, u.a. für Zeitreisen.[11]          
Als das Skelett im 19. Jahrhundert gefunden wurde, gab es kaum Urmenschenfunde, deshalb konnte jede noch so ungewöhnliche Entdeckung erst einmal provisorisch in den menschlichen Stammbaum aufgenommen werden. 1884 listet die Smithsonian Institution den Fund im Jahresbericht kurz unter anderen menschlichen Fossilien auf: „Siderolith von Delemont, menschliches Skelett (Quiquerez)“.[12]   
Quiquerez ist der Name eines in Delsberg tätigen Forschers, einen Aufsatz über tertiäres Gebein konnte ich von ihm nicht auftreiben. Cremos und Thompsons Quelle ist ein englisches Buch aus dem Jahr 1924, Fossil man in Spain. Es wurde aus dem Spanischen übersetzt und erschien erstmals in Madrid.
Die Quelle ist jedoch wenig ergiebig. In seiner Einleitung spricht Obermaier von der Frage, wie alt das Menschengeschlecht sei und verweist auf die sogenannten Eolithe, primitive mögliche Steinwerkzeuge, die vor allem in 19. Jahrhundert immer wieder in Schichten des Tertiärs gefunden wurden:

„Eine Tatsache von solch außergewöhnlicher Wichtigkeit würde könnte zweifelsfrei durch die Auffindung eines menschlichen Skeletts aus dem Tertiär bewiesen werden, aber bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist keine derartige Entdeckung ausreichend gut belegt, dass sie der wissenschaftlichen Hinterfragung standhielte. Weder das Skelett von Delemont in der Schweiz (aus dem „Eozän“) noch die Überreste vom Colie del Vento nahe Savona in Ligurien („Pliozän“) noch jene von Castenodolo bei Brescia noch jene von Matera, alle in Italien, haben irgendetwas dazu beigetragen, dieses Problem zu lösen.“[13]

Cremos und Thompsons Quelle hilft also nicht weiter – und ist im Tenor skeptisch, was die Autoren ihren Lesern unterschlagen Und das Gebein von Delsberg hat zwar in vielen Büchern über die menschlichen Ursprünge Niederschlag gefunden, doch immer nur negativ. Und auch bei diesen Erwähnungen handelt es sich nur um kurze Anspielungen. 
Im ersten Band einer Universalgeschichte, die ebenfalls Hugo Obermaier verantwortete, lesen wir fast dasselbe wie in seinem Buch über den fossilen Menschen von Spanien:

„Sind wir nicht vollends berechtigt, sogar von einem tertiären Menschen zu sprechen?

Dieses Problem ist um so beachtenswerter, als gegenwärtig nicht mehr, wie einst […] eine wissenschaftliche Opposition der Anerkennung des fossilen Menschen gegenübersteht. […] Als beredte Zeugen für einen tertiären Menschen würden mit Recht in erster Linie tertiäre Skelette ins Gewicht fallen; die sämtlichen bisher gemeldeten Vorkommnisse dieser Art konnten jedoch in keinem Fall die Feuerprobe ihres hohen Alters bestehen. Man spricht nicht mehr vom Pliozänskelett von Savona in Ligurien (1856) oder von den gleichaltrigen Leichenresten aus Castenodolo bei Brescia (Italien), noch weniger braucht das Skelett von Delemont in der Schweiz in ernste Diskussion gezogen werden, das sogar aus eozänen Schichten gehoben wurde, oder der Miozänkörper von Hautefage (Haute-Garonne).“[14]

Bereits die ersten Meldungen über den Fund sind negativ. Jean François Albert du Pouget schreibt 1884: „Und die Gebeine von Delemont im Berner Jura, von denen eine Zeit lang viel Lärm gemacht wurde, sind, wie Rütimeyer nachweist, verhältnissmässig jungen Alters.“ Dieser Rütimeyer war ein Schweizer Pfahlbauforscher mit zahllosen Publikationen. In welcher er den Schädel von Delemont behandelt, habe ich nicht herausgefunden.[15]     
Von Rütimeyer ist eine Publikation zu Säugetierfossilen im Jura erschienen[16], von dem in den amerikanischen Quellen genannten Albert Quiquerez nur ein Aufsatz über die Entdeckung keltischer Eisenschmelzanlagen bei Delsberg.[17]    
Ebenjener Quiquerez wies auch die Entdeckung tertiärer Menschenfossilen bei Delsberg weit von sich: „3. Eine Diskussion wird über das vermutete Alter der siderolithischen Schichten und die dortigen Fossilien geführt. Dazu merkte Herr Quiquerez an, dass er nie ein einziges Fossil oder ein einzelnes Knochenfragment in der unteren siderolitischen Schichten antraf.“[18]
Um mehr Gewissheit über den Fund (von wem wann gemacht?) und den derzeitigen Stand der Ermittlungen zu erlangen, kontaktierte ich am 22. Juni 2013 das „Musée jurassien d’art et d’histoire (MJAH)“ in Delémont: „Haben Sie zu diesem Fund und seiner Entlarvung vielleicht weiterführendes Material oder zumindest Literaturangaben, wo die Entdeckung veröffentlicht und wo sie von Rütimeyer widerlegt worden ist?“ 
Ich erhielt nie eine Antwort. Der Fund ist potenziell von Interesse, aber trotz zahlloser Erwähnungen in der Literatur wissen wir nur, dass etwas gefunden und fast zeitgleich als falsche Deutung abgelehnt wurde. Die Schrift von Rütimeyer könnte mehr Details enthalten, bislang stehen nur die Epoche, Eozän, und die „Tatsache“ fossiler, neuzeitlich wirkender Mensch im Raum.

Hatschepsut berichtet vom Exodus?

Den vielen bestehenden Theorien zum Zeitpunkt des Exodus fügte Dr. Hans Goedicke, der Leiter der Nahöstlichen Abteilung der Johns-Hopkins-Universität, nicht nur eine weitere hinzu, er gab auch an, er habe in einer Königsinschrift der Gattin Thutmosis II., Hatschepsut, einen ägyptischen Bericht über diese Ereignisse gefunden. So zumindest behauptet ein im Namen des Bestsellerautors Charles Berlitz zusammengestellter Band mit lauter „geheimnisvollen“ Kurzmeldungen. Berlitz meint, Dr. Hans Goedicke sehe die Ursache der Teilung des Meeres im Ausbruch des griechischen Vulkans Santorin und einer dadurch ausgelösten Tsunamiwelle – dieses Ereignis wird jedoch konventionell auf 1613 v. Chr. datiert, während Hatschepsut um 1490 v. Chr. herrschte.[19]    
Hier konnte ich den ursprünglichen Presseartikel finden, nicht aber eine wissenschaftliche Veröffentlichung. Im Dezember 1985 berichtete die renommierte New York Times von Ausgrabungen im Nildelta, bei denen amerikanische Wissenschaftler in 6 m Tiefe 3500 Jahre alte vulkanische Glasfragmente entdeckt hätten, die sie mit dem Santorin-Ausbruch in Verbindung brachten.         
Die Entdeckung wurde auf einer Tagung der Geological Society of America bekanntgegeben. Dr. Daniel J. Stanley, ein Ozeanograph am National Museum of Natural History in Washington, und sein Kollege Harrison Sheng hatten diese Vulkanasche an vier Stellen in 3500 Jahre alten Sedimenten des Manzala-Sees bei Port Said angetroffen. Stanley sprach von einem „naturwissenschaftlichen, also nicht archäologischen, Beweis, dass der Vulkan so weit entfernt wie in Ägypten gespürt wurde.“ Das verleihe der biblischen Behauptung, der Tag sei während des Exodus zur Nacht geworden, neue Glaubwürdigkeit.
„Diese Belege sind die ersten, die zeigen, dass ich recht hatte“, meinte der Ägyptologe Hans Goedicke. Er verwies damit auf seine vier Jahre zuvor veröffentlichte Deutung einer ägyptischen Königsinschrift, die ihn den Exodus auf 1477 v. Chr. datieren ließ (also 200 bis 250 Jahre früher als er nach der biblischen Chronologie erfolgt sein soll).       
Die New York Times schreibt. „Nach Dr. Goedickes Deutung ägyptischer Inschriften aus der Herrschaftszeit des weiblichen Pharaos Hatschepsut fand der Exodus im Frühjahr 1477 am Ufer des Mittelmeers statt. Die Israeliten wendeten sich nahe beim See Manzala, um sich auf einem Plateau gegen die verfolgende ägyptische Armee zu verteidigen. Die ägyptischen Streitwagen wurden in der Ebene unterhalb des Plateaus plötzlich von einer Wasserflut vernichtet. Dr. Goedicke meint, es könne sich dabei um einen durch den Vulkanausbruch auf Santorin ausgelösten Tsunami gehandelt haben.     
Dr. Goedicke erklärt, dass er nach wie vor an seiner Theorie festhält und im nächsten Jahr eine wissenschaftliche Darstellung seiner Ergebnisse veröffentlichen will.“[20]        
Die einigermaßen ausführliche Meldung zitiert keine Zeile aus dem vorgeblichen ägyptischen Exodusbericht. Auf jeden Fall ist Goedicke ein seriöser Ägyptologe mit zahllosen bedeutenden Veröffentlichungen. Wenn ich auch seinen Orginalaufsatz nicht auftreiben konnte, so doch verschiedene Bezüge darauf in anderen ägyptologischen Artikeln.     
So diskutiert Ira Friedman in einer Arbeit die Datierung des Exodus auf die Zeit Thutmosis‘ III. (des Koregenten und Nachfolgers der Hatschepsut): „In ihrer Inschrift von Speos Artemidos scheint sich Hatschepsut damit zu brüsten, die Hyksos vertrieben zu haben. Wir wissen, dass das nicht stimmt. Der verstorbene Ägyptologe Hans Goedicke verstand die Inschrift allerdings so, sie habe Ägypten von den Israeliten gesäubert, bei denen es sich um die letzten Reste der Hyksos gehandelt haben könnte. Goedicke deutete den letzten Satz im entsprechenden Abschnitt – die Erde verschlang ihre Fußtritte –, um anzudeuten, dass Hatschepsut den Exodus selbst beschrieb. Bei diesem Satz wird es sich jedoch um die übliche pharaonische Übertreibung handeln, sie hat sich wohl damit gebrüstet, Ägypten von Israeliten ‚gesäubert‘ zu haben, indem sie diese zu Sklaven machte.“[21] 
Goedickes Interpretation des Hatschepsut-Textes wollten Fachkollegen demnach nicht folgen. Viele kritisierten, dass seine Neuübersetzung des Textes Zusammenhänge suggeriere, wo Textpassagen durch große Lacunae getrennt seien; eine Behauptung, der Goedicke energisch widersprach.[22]          
Der Herausgeber der Biblical Archaeology Review, Hershel Shanks, äußerte sich ebenfalls kritisch und sah in Goedickes Deutung allein Wunschdenken.[23]          
Tatsächlich ist die angebliche Exodus-Referenz so vage, dass man gar nicht verstehen kann, wie es zu einer solchen Deutung kommen konnte. Der Text jedenfalls lautet:

„(36) Ich schlafe nicht im Vergessen, (denn) ich habe Form aus dem gemacht, was in Trümmern lag. Denn ich habe wiederaufgerichtet, was zerstückelt gewesen ist (37) seit der Zeit, als die Asiaten inmitten des Deltas waren, (in) Avaris, mit Nomaden in ihrer Mitte, (38) sie stürzten um, was geschaffen worden war. Sie herrschen ohne die Sonne, und handelten nicht nach Geheiß des Gottes bis zu meiner (eigenen) Uräus-Inkarnation. (Jetzt) (39) sitze ich auf den Thronen der Sonne, seit Jahren bereits vorhergesagt als der, der geboren werden wird, um seinen Besitz zu ergreifen. Ich komme als Horus, der einzige (40) Uräus, der Feuer auf meine Feinde speit. Ich habe die Gräuel der Götter verbannt, die Erde hat ihre Fußabdrücke getilgt.“[24]

Das, so muss man zugeben, erfordert jede Menge an Deutungskraft, um an den Exodusbericht der Bibel zu erinnern. Hatschepsut unterwirft „Asiaten“, das ist alles. Dennoch hat Berlitz korrekt wiedergegeben, was die New York Times berichtete, doch wurde versäumt, die Originalberichte zu recherchieren.

Dieser Artikel erschien in einer früheren Fassung bereits bei Mysteria3000.de.


[1] Pauwels, L. / Bergier, J. 1975: Die Entdeckung des ewigen Menschen, München, 146.

[2] Wikipedia: Walter Matthes

[3] Wikistrike: Hambourg : des sculptures vieilles de 100 000 auraient été découvertes

[4] originsnet: Hamburg-Wittenbergen c. 200,000 BP: Heads / Hamburg-Wittenbergen c. 200,000 BP: Animals
daysknob.com: Portable Rock Art / Figure Stones in Germany
Ian Lawton: Anomalous Artifacts. Rewritten Chapter 11 of Genesis Unveiled

[5] Wikipedia: Altpaläolithische Kleinkunst/Walther Matthes

[6] Carnac, P. 1978: Geschichte beginnt in Bimini, Freiburg, 147 f.

[7] Petratu, C. / Roidinger, B. 1994: Die Steine von Ica, Essen, 254.

[8] HubPages 2015: The Great Sphinx… in the Carpathian Mountains

[9] Wikipedia: Sphinx (Romania)

[10] Thompson, R. L. / Cremo, M. A. 1993: Forbidden Archeology, San Diego, 452.
Cremo, M. A. 1998: Forbidden Archeology’s Impact, 48.

[11] Brennan, J. H. 2003: Time Travel: A New Perspective, 117.

[12] Mason, O. T. 1884: Anthropology, in: Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution showing the Operations, Expenditures, and Conditions of the Institution for the Year 1882, Washington, 633–673 (638).

[13] Obermaier, H. 1924: Fossil man in Spain, New Haven, 2.
Im Original (etwas länger als in meiner Übersetzung): „So far the question whether or no man was witness of the course of events above recounted remains unanswered. A fact of such transcendent importance would be demonstrated beyondquestion by the discovery of human skeletons of Tertiary age, but up to the present time none of the supposed discoveries of this nature is sufficiently well proved to withstand any serious scientific investigation. Neither the “Eocene” skeleton of Delemont in Switzerland, nor the “Pliocene” remains of Colie del Vento near Savona, Liguria, nor those of Castenodolo near Brescia, nor those of Matera, all in Italy, have supplied any data for the solving of this interesting problem — being therefore relegated to oblivion, even as the Indian skull of Calaveras, California.
Neither has it been possible to prove that the discoveries made by P. Ameghino in South America during the last fifteen years — Diprothomo platensis, Tetraprofhomo argentinus, etc. — are of Tertiary age as claimed. (In regard to supposed human remains of Tertiary age in South America see Chapter IX.)
In view of these facts, then, it may be affirmed that up to the present time we have only indirect evidence of the existence of Tertiary man.“
Die spanische Originalausgabe war: Obermaier, H. 1916: El Hombre Fosil, Madrid.

[14] Obermaier, H. 1912: Der Mensch aller Zeiten, Natur und Kultur der Völker der Erde. Band 1, 381.

[15] du Pouget, J. F. A. / Nadaillac, Marquis de 1884: Die ersten Menschen und die prähistorischen Zeiten, mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Übers. von W. Schlösser / E. Seler / F. Enke, 514.

[16] Rütimeyer, L. 1857: Eocäne Säugethiere aus dem Gebiete des schweizerischen Jura. Denkschriften der Allgem. Schweiz. Gesellsch. für d. gesammten Naturwissenschaften, Zürich.

[17] Quiquerez, A. 1876: Notice sur des debris de l’industrie humaine, decouverts dans le terrain quaternaire, a Bellerive, pres de Delemont, en 1874. Mitt. naturforsch. Ges. Bern 1876, 55–66, 2 pls. – vgl. zu diesen Funden z.B. Figuier, L. 1870: Primitive Man, London (Teil II, Kapitel 1: The Iron Epoch).

[18] Section de Géologie et de Minéralogie. Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesellschaft: Actes de la Société helvetique des sciences naturelles. Atti della Società elvetiva di scienze naturali 40 (1855), 44: „3. Une discussion s’etant engagee sur l’age presume du terrain siderolitique et sur des fossiles qu’on a du trouver dans ce terrain, M. Quiquerez fait observer qu’il n’a jamais rencontre un seul fossile, un seul fragment d’ossement dans le siderolitique inferieur, ouproprement dit, quand ce terrain n’avait pas ete remanie. II ajoute que ceux designes par M. Greppin comme provenant de cette formation n’ont ete rencontres que dans des terrains superposes ou remanies. C’est ainsi que des fossiles et des graines de Chara, decouverts dans les travaux de mine de la vallee de Delemont, n’ont ete observes que dans deux localites et dans des etages fort superieurs au siderolitique, mais il ne veut pas se prononcer sur leur äge avant de nouvelles recherches.“

[19] Berlitz, C. 1989: Die größten Rätsel und Geheimnisse unserer Welt, München, 105 f.
Dieselben Aussagen tätigt auch Sitchin, Z. 2007: The Earth Chronicles Expeditions, 32.

[20] Wilford, J. N. 1985: New Find Is Linked To Events To Exodus. New York Times, 24. Dezember 1985.

[21] Friedman, I. 2017: Amenhotep III and The Exodus: Echoes of the Biblical Narrative from Egypt’s Golden Age. Jewish Bible Quarterly 45/4, 211­222.

[22] Wilford, J. N. 1982: Egyptologist Says he did not Mislead. New York Times, 7. März 1982.

[23] Shanks, H. 1981: The Exodus and the Crossing of the Red Sea, According to Hans Goedicke. Biblical Archaeology Review 7/5.

[24] zitiert nach Allen, J. P. 2002: The Speos Artemidos Inscription of Hatshepsut. Bulletin of the Egyptological Seminar 16, 1–17, nachgedruckt auf http://www.ancientneareast.net/egypt/the-speos-artemidos-inscription-of-hatshepsut/

In der dortigen englischen Übersetzung:

„(36) I do not sleep forgetting, (but) have made form what was ruined. For I have raised up what was dismembered beginning (37) from the time when the Asiatics were in the midst of the Delta, (in) Avaris, with vagrants in their midst, (38) toppling what had been made. They ruled without the Sun, and he did not act by god’s decree down to my (own) uraeus-incarnation. (Now) I am set (39) on the Sun’s thrones, having been foretold from ages of years as one born to take possession. I am come as Horus, the sole (40) uraeus spitting fire at my enemies. I have banished the gods’ abomination, the earth removing their footprints.“