Von Riesen, die zu Teufeln wurden – Denkmäler riesischer und teuflischer Steinewerfer in Schleswig-Holstein

Abb. 1: Der Brutkampstein in Albersdof (Foto: André Kramer)

Die Welt der volkstümlichen Erzählungen, der Sagen, weiß von dem wiederkehrenden Motiv zu berichten, dass ein früheres Volk von Riesen in unseren Landen lebte und mit großen Steinen um sich warf. Diese Riesen zeigen sich als ambivalente Genossen, die zuweilen den Menschen bei großen Bauprojekten halfen. Noch viel häufiger zeigen sie sich aber als Feinde des Menschen und vor allem des Christentums. 
Mit dem Abschmelzen der Gletscher, die weite Teile Norddeutschlands während der letzten Eiszeit bedeckten, blieben in unserer Landschaft teils gewaltige Steinblöcke zurück (erratische Blöcke). Diese so genannten Findlinge stammen ursprünglich aus Skandinavien und wurden auf den vorrückenden Eismassen bis hierher transportiert. Findlinge sind zuweilen auffällige Landmarken, wurden im Neolithikum aber auch als Baumaterial für die landschaftlich ebenfalls sehr auffälligen Großsteingräber verwendet.
Die volkstümliche Überlieferung nun hat eine ganz eigene Erklärung für eben diese auffallenden Formationen und Steinblöcke parat, auf dessen sichtbare Spuren in Schleswig-Holstein sich dieser Aufsatz begeben möchte.           
In Dithmarschen in Albersdorf finden wir mit dem Brutkampstein eines der bekanntesten Großsteingräber Schleswig-Holsteins, um den herum sich einige Sagen und auch Volksbräuche drehen.  
Errichtet um 3200 v. Chr., handelt es sich bei dem Brutkampstein um einen Polygonaldolmen, dessen ihn umgebener Rundhügel schon lange abgetragen ist. Auf vier Tragsteinen ruht hier ein gewaltiger Deckstein mit einem Umfang von neun Metern.[1]   
Zu den älteren Sagen rund um den Brutkampstein gehört die folgende, die den Hass der Riesen gegen das Christentum deutlich macht:

„Als die Albersdorfer Kirche gebaut wurde, erzürnte ein im Norden wohnender Riese so sehr darüber, daß er einen Stein aufnahm und gegen das Dorf warf. Aber seine Augen wurden verschielt, und der Stein fiel auf den Brutkamp nieder.“[2]

Dieses Motiv ist im Zusammenhang mit megalithischen Gräbern nicht selten. Auch ein Riese vom südwestlich von Rendsburg gelegenen Hamsdorfer Berg warf einen großen Stein, den er über die Eider schmeißen wollte. Sein Versuch misslang und heute ist dieser Stein diesseits der Eider der Deckstein eines megalithischen Langbetts.[3]

Von den Resten megalithischer Steinsetzungen nahe Schwarzenbek heißt es in der Sage:

„So wollte einst der Bergedorfer Riese die Kirche in Schwarzenbek vernichten. Er warf einen Stein nach dem andern hin, traf aber immer zu kurz, und die Steine fielen im Saupark bei Friedrichsruh zur Erde. Einige sagen aber, hier hätten die Riesen ihren König begraben, und die Steine wären die Reste von seinem Denkmal.“[4]

Doch nicht nur megalithische Gräber bleiben als sichtbare Denkmäler Steine werfender Riesen in der Landschaft Schleswig-Holsteins zurück. In manchen Fällen wurde der Sage nach erst das Denkmal in jüngerer Vergangenheit geschaffen.
So etwa in Bezug auf die Sage der zwei Riesen von Ulsnis und Rieseby. Diese weiß zu berichten:

 “In der Nähe des heutigen Dorfes Ulsnis wohnte einst ein mächtiger Riese, den man wegen seines Alters den Alten nannte. Sein Sohn war ihm an Größe noch weit überlegen. Um von seinem Vater unabhängig zu sein, watete er durch die Schlei und wohnte in der Gegend von Rieseby. Mehrmals aber kam es vor, daß die beiden sich über die Schlei beschimpften und mit Felsblöcken bewarfen. Aber der Streit brach erst recht aus, als der Alte bei Ulsnis anfing, eine Kirche zu bauen. Der Sohn bemerkte von seinem Berg in der Nähe seines Wohnortes alles, was sein Vater machte. Er wollte ihm nicht nachstehen, und so baute er eine Kirche, die noch höher und schöner sein sollte. Als der Alte dieses von einer Anhöhe aus merkte, rief er seinem Sohn bittere Vorwürfe zu. Bals gerieten beide in Wut und warfen mitv den größten Blöcken, die sie auf den Fweldern fanden, nacheinander. Die hohen Türme der Kirchen waren bald niedegeworfen und dadurch die Wut noch größer geworden. Gleichzeitig wurden beide von einem Stein getroffen, so daß sie tödlich verletzt zu Boden sanken und bald starben. Der Alte fiel mit dem Kopf in die Schlei hinein, und dadurch bildete sich die Halbinsel Nes am Gunnebyer Noor, und nach dem Alten nannte man den Ort Ulsnis. Den Wohnort des Jüngeren nannte man Rieseby.”[5]

In Ulsnis wurde einem dieser Riesen, nämlich dem Ulsniser Riesen, durch den Bildhauer Andi Feldmann 2012 ein Denkmal geschaffen. Der cartoonhafte Look der Statue kommt sicher nicht von ungefähr, schließlich handelt es sich bei Andi Feldmann um den jüngeren Bruder des Comiczeichners und Werner-Erfinders Rötger Feldmann.

Abb. 2: Der Riese von Ulsnis (Foto: André Kramer)

Volksglaube und mit ihnen ihre Sagen sind häufig auch gebunden an die spezifischen Eigenheiten der Landschaft, in der sie geboren wurden.       
Die Vorstellung von Riesen, deren Steinwürfe dazu führten, dass gewaltige Felsbrocken überall in der Landschaft herumliegen, mag in Schleswig-Holstein speziell und Norddeutschland im Allgemeinen auf dem bereits erwähnten Umstand beruhen, dass die Gletscher der letzten Eiszeit große Steine aus Skandinavien bis hierher transportierten, die nach deren Abschmelzen dann zurückblieben.            
Diese so genannten Findlinge kann man überall in der norddeutschen Landschaft finden. Und sicherlich nicht zufällig findet sich gerade hier besonders häufig das Motiv des riesischen Steinwurfs.[6] In Nordschleswig werden Findlinge gar Slyngsteen, also Schleuderstein genannt.[7]    
In Anbetracht des Umstandes, dass speziell Schleswig-Holstein über keinen Untergrund aus Hartgestein verfügt, kommt den Findlingen als Baumaterial eine besondere Bedeutung zu.
Die Riesen sind bereits im alten heidnischen Glauben Teil der Welt und treten als ambivalente Wesen in den alten nordischen Mythen auf. Diese Ambivalenz, manchmal den Menschen freundlich gesinnt, oft aber auch feindlich, tritt auch in den volkstümlichen Sagen immer wieder zutage. Der Riese ist grob und nicht sonderlich raffiniert.

Abb. 3: Der Teufel von Gettorf (Foto: André Kramer)

Unter dem Einfluss des Christentums ersetzt der Teufel oft den Riesen bei gleichbleibenden Sagenmotiven und löst diesen nach und nach ab.[8] Ein großer Unterschied ist hier sicherlich, dass das Anliegen des Teufels immer ein Böses ist. Lediglich durch Tricks gelingt es den Menschen aber immer wieder, den Teufel auch für ihre Zwecke einzuspannen.          
Der den Riesen ablösende Teufel hatte es natürlich oft auch auf Kirchen abgesehen und so finden sich zwei Teufelsdenkmäler in Schleswig-Holstein, die solchen Sagen entlehnt sind.
Aus Gettorf, nahe Kiel, ist folgende plattdeutsche Sage überliefert:

„Mit een groden Findling von Felmer Barg wull de Düvel uns Karktorm Tweismieten. Dat hett uns Herrgottnich tolaten.
So hett de Findling denn Karktormbloots streif un is bit no Königsför flogen von de tied steiht uns Karktorm scheef.“[9]

Und so wurde auf dem Marktplatz Gettorfs im Jahr 2000 eine Bronzestatue von Siegfried Assmann aufgestellt, die den Teufel mit einem Dreizack in der Hand auf einem Findling stehend zeigt.

Auch die Hansestadt Lübeck hat das Denkmal eines mit Steinen werfenden Teufels zu bieten. Über die Lübecker Marienkirche weiß die Sage folgendes zu berichten:

„Als man die Grundmauern der Marienkirche legte, glaubte der Teufel, daß man dabei sei, ein Weinhaus zu errichten. Das gefiel ihm, denn schon so manche Seele hatte über einen solchen Ort den Weg zu ihm genommen.    
Er mischte sich deshalb unter die Arbeiter und half.                       
Kein Wunder, daß der Bau staunenswert schnell in die Höhe wuchs. Doch mußte der Teufel eines Tages erkennen, worauf es hinauslief mit dem Bau, und voller Wut schleppte er einen gewaltigen Felsbrocken herbei, die angefangene Kirche damit zu zertrümmern. Schon brauste er durch die Lüfte heran, da rief ihm ein kecker Geselle zu: “Haltet ein, Herr Teufel! Laßt stehn, was steht! Wir bauen Euch dafür neben der Kirche ein Weinhaus!” Das schien dem Teufel geratener; Er ließ den Stein hart vor der Mauer der Kirche fallen. Dort liegt er noch und zeigt deutlich die Eindrücke der Teufelskrallen, und gleich neben der Kirche wurde der Ratsweinkeller erbaut.“[10]

Geradezu niedlich wirkt hier der kleine Teufel auf dem Mauervorsprung der Marienkirche sitzend. Die von Rolf Goerler geschaffene Bronzestatue wurde 1999 aufgestellt.

Abb. 4: Der Teufel von Lübeck (Foto: André Kramer)

Quellen

Bächtold-Stäubli, H. / Hoffmann-Krayer, E. 2000: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Band II: C.M.B. – Frautragen. 3., unveränderte Auflage, Berlin/New York.

Bächtold-Stäubli, H. / Hoffmann-Krayer, E. 2000: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Band IX: Waage – Zypresse und Nachträge. 3., unveränderte Auflage, Berlin/New York.

Hubrich-Messow, G. 1998: Sagen aus Schleswig-Holstein, Augsburg.

Höttges, V. 1937: Typenverzeichnis der deutschen Riesen- und riesischen Teufelssagen, Helsinki.

Meyer, G. Fr. 1968: Schleswig-Holsteiner Sagen, Jena.

Müller, J. 2017: Großsteingräber, Grabenwerke, Langhügel. Frühe Monumentalbauten Mitteleuropas, Stuttgart.

Siehe auch:
Hünengräber und Zyklopenmauern – Riesen als Megalithbaumeister?
Der Dronninghoi in Schuby – Die Schwarze Margret und der enthauptete Krieger


[1] Vgl. Müller 2017, 76.

[2] Meyer 1968, 17.

[3] Vgl. Höttges 1937, 23.

[4] Hubrich-Messow 1998, 204 f.

[5] Hubrich-Messow 1998, 41 ff.

[6] Vgl. Bächtold-Stäubli; Hoffmann-Krayer IX 2000, 1130.

[7] Vgl. Bätchold-Stäubli; Hoffmann-Krayer II 2000, 1476.

[8] Vgl. Höttges 1937, 9.

[9] Infoschild in Gettorf

[10] Infoschild vor Ort